taz.de -- GB stoppt Auslieferungen an Hongkong: Zu zaghafte Zeichen an Peking
London stellt sich schützend vor die früheren Kolonialbürger. Gleichzeitig lässt man die Großbank HSBC weiter Geschäfte mit Peking machen.
Berlin taz | Wenn die Regierung in London gegenüber der in Peking [1][Menschen- und Freiheitsrechte in Hongkong] verteidigt, hat das stets ein Geschmäckle. Schließlich waren es die Briten, die den Chinesen die Insel im Opiumkrieg abnahmen, als Peking im 19. Jahrhundert den britischen Drogenhandel stoppen wollte. Für Menschenrechte und Demokratie in Hongkong interessierten sich die Briten erst, als Gespräche zur Rückgabe der Stadt an China begannen.
Trotzdem zeigte der stete Zustrom von Chinesen, die vor Bürgerkrieg, Hunger, Misswirtschaft und Kulturrevolution flohen, dass es in Hongkong attraktiver war als in China. Jetzt hebelt Peking mit seinem Sicherheitsgesetz die der Stadt versprochene Autonomie aus und bricht damit das 1984 mit London geschlossene Abkommen.
Der eigenen unrühmlichen Geschichte ungeachtet, ist es deshalb das Mindeste, dass London jetzt sein Auslieferungsabkommen aussetzt und so den Menschen Schutz verspricht, die sich vergeblich für die Demokratisierung eingesetzt haben. Den knapp drei Millionen Hongkongern, die als frühere Kolonialbürger Anspruch auf einen britischen Überseepass haben, bietet London nun ein fünfjähriges Aufenthaltsrecht samt Einbürgerungsmöglichkeit an.
Bisher hatte sich Großbritannien, das die letzten Jahre nur noch um seinen [2][Brexit] kreiste, nicht mehr für seine frühere Kolonie interessiert. Doch so richtig es ist, endlich deutlich auf Pekings Vertragsbruch zu reagieren, so wenig wird es wohl ausrichten. Die aus Hongkong stammende [3][Londoner Großbank HSBC], Europas größtes Geldhaus, sowie andere britische Unternehmen haben Peking längst ihre Unterstützung für das umstrittene Sicherheitsgesetz erklärt.
Angesichts dessen sind die Maßnahmen der Regierung in London nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie traut sich nicht, die Banken zurückzupfeifen, für die es nur ums Geschäft geht und die nach Recherchen der Agentur Reuters pekingkritischen Aktivisten jetzt womöglich mit Kontosperrungen drohen. Freiheits- und Menschenrechte sind dabei kein Thema. Peking hat das längst verstanden.
20 Jul 2020
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