taz.de -- Kritik an geplantem EU-Handelsabkommen: 340 NGOs gegen Brasilien-Pakt

Die EU soll das Abkommen mit dem südamerikanischem Mercosur platzen lassen. Der Grund: Das Treiben des rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro.
Bild: Seit Präsident Jair Bolsonaro im Amt ist, häufen sich in Brasilien Menschenrechtsverletzungen

Berlin taz | Mehr als 340 Nichtregierungsorganisationen (NGO) fordern, dass die Europäische Union die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Mercosur-Verbund einstellt. „Die Unterzeichnung eines Handelsabkommens mit der derzeitigen brasilianischen Regierung verstößt gegen alle Menschenrechts- und Umweltrichtlinien der Europäische Union“, sagt Shefali Sharma, Direktorin des deutsch-amerikanischen Institute for Agriculture and Trade Policy Europe. Die EntscheiderInnen der EU müssten sich an ihre Grundsätze halten und keine Abkommen abschließen, die das Pariser Klimaabkommen und die Menschenrechte untergraben.

Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay haben nach dem Vorbild der EU 1991 einen gemeinsamen Markt gegründet. Venezuela ist zwar beigetreten, die Mitgliedschaft aber von den übrigen Ländern ausgesetzt. Beitrittsverhandlungen mit Bolivien laufen. VertreterInnen von [1][EU und Mercosur verhandeln zurzeit über ein Freihandelsabkommen].

In Brasilien regiert seit Januar der rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro. Seitdem häufen sich Menschenrechtsverletzungen, Schwule und Lesben werden verfolgt, die Regierung toleriert bewaffnete Überfälle auf indigene Völker, [2][Amazonasgebiete werden entwaldet]. „Die EU muss jetzt Präsident Bolsonaro unbedingt die unmissverständliche Botschaft senden, dass sie sich Verhandlungen mit Brasilien über ein Handelsabkommen verweigert, wenn es nicht zu einem Ende der Menschenrechtsverletzungen, strengen Maßnahmen zur Beendigung weiterer Entwaldung und konkreten Verpflichtungen zur Umsetzung des Pariser Abkommens kommt“, heißt es in einem Brief der NGO an die Präsidenten der EU-Institutionen.

Die Organisationen stammen vor allem aus Europa sowie Süd-und Mittelamerika. Darunter sind Greenpeace, das Netzwerk gerechter Welthandel, Robin Wood und PowerShift. Viele NGO kritisieren das Abkommen auch, weil sie unter [3][anderem Billigfleischimporte aus Südamerika fürchten, was dort zu klimaschädlichen Abholzungen führt].

Grüne fordern Merkels eingreifen

Am Montag hatte EU-Handelskommissarin Cecilia Malström von Fortschritten bei den Verhandlungen mit dem Mercosur berichtet. Ein Durchbruch sei aber noch nicht erfolgt, sagte sie. „Wir stehen in engem Kontakt mit vielen NGOs, die Bedenken geäußert haben“, sagte sie. „In Brasilien wurden einige Maßnahmen ergriffen, denen wir sicherlich nicht zustimmen.“ Ein Handelsabkommen könne nicht alle Probleme der Welt lösen. „Aber wir können einen Kontext schaffen, um diese Fragen zu erörtern.“ So soll es in dem Abkommen ein Kapitel zu nachhaltiger Entwicklung geben.

Unterstützung erhalten die NGOs von der Handelsexpertin der Bundestagsfraktion der Grünen, Katharina Dröge. „Das Mercosur-Abkommen ist in dieser Form eine Katastrophe für den Klimaschutz und die Menschenrechtslage in Brasilien“, sagte sie der taz. Es setze vor allem auf Liberalisierungen für die Wirtschaft, enthalte aber kaum wirksame Verpflichtungen für den Schutz von Menschenrechten, der Umwelt und des Klimas. „Wenn Bundeskanzlerin Merkel Ernst machen will bei Klimaschutz und Menschenrechten, muss sie dieses Abkommen stoppen!“, forderte Dröge.

18 Jun 2019

LINKS

[1] /Kommentar-EU-Mercosur-Vertrag/!5464332
[2] /Bolsonaro-und-der-Amazonas-Regenwald/!5580947
[3] /Handel-zwischen-Europa-und-Suedamerika/!5491681

AUTOREN

Anja Krüger

TAGS

Mercosur
Jair Bolsonaro
Brasilien
Freihandel
Europäische Union
Mauricio Macri
Mercosur
Mercosur
Brasilien
Lesestück Meinung und Analyse
Südamerika
Mercosur

ARTIKEL ZUM THEMA

Märkte in Argentinien: Mist, eine linke Regierung

Die rechte Regierung in Buenos Aires steht vor der Abwahl. Die neue könnte sich gegen Sparauflagen wehren. Die Finanzmärkte mögen das nicht.

Reaktionen auf Freihandelspakt: Warum Macri und Bolsonaro feiern

Die EU und der Mercosur schließen einen Freihandelspakt. Die Präsidenten Argentiniens und Brasiliens jubeln laut – sie brauchen dringend Erfolge.

Einigung auf EU-Mercosur-Vertrag: Größte Freihandelszone entsteht

Die Europäer und Südamerikaner kooperieren ökonomisch: Eine gemeinsame Freihandelszone ist nun beschlossene Sache. Die Kritik bleibt.

Brasiliens Oberstes Gericht entscheidet: Ex-Präsident Lula bleibt in Haft

Brasiliens Ex-Präsident Lula kommt nicht frei. Seine Verteidiger hatten Absprachen zwischen Richter und Staatsanwaltschaft kritisiert.

Kommentar Brasilien unter Jair Bolsonaro: Die braune Welle

Was der Sieg des Rechtsextremisten Jair Bolsonaro für Lateinamerika bedeutet? Das hängt vor allem von der wirtschaftlichen Entwicklung ab.

Debatte Südamerikanische Wirtschaft: Auferstehend aus Ruinen

Korruption, Armut, Drogen: Gerade Südamerikas Krisen könnten dem gemeinsamen Markt Mercosur einen zweiten Frühling verschaffen.

Handel zwischen Europa und Südamerika: „TTIP wäre größer gewesen“

Die EU will bald einen Freihandelsvertrag mit den Mercosur-Staaten abschließen. Maritta Strasser erklärt, warum Campact spät gegen das Abkommen mobilisiert.