taz.de -- Änderung im Staatsangehörigkeitsrecht: Appell an die SPD-Fraktion
Mit dem von der Großen Koalition geplanten Gesetz werde ein „Leitkultur-Paragraf“ eingeführt, warnt die AG Migration und Vielfalt in der SPD.
Teile der SPD machen Druck auf ihre Genoss*innen im Bundestag, beim letzten noch ausstehenden [1][Gesetzesvorhaben aus dem Bereich Migration] zu intervenieren. Die [2][Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD] forderte die Abgeordneten am Montag auf, die für kommende Woche geplante Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts „unverzüglich zu stoppen“.
„Unter dem Radar der Öffentlichkeit“ solle ein „Leitkultur-Paragraf“ beschlossen werden, kritisierte Irena Rudolph-Kokot, Vize-Bundesvorsitzende der AG. Der [3][Gesetzentwurf sieht vor], Doppelstaatler*innen, die sich im Ausland einer Terrormiliz anschließen, die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen zu können. Allein das ist heftig umstritten. Dazu kommen aber weitgehende Änderungsanträge der Fraktionen von Union und SPD.
So soll zur Voraussetzung für die Einbürgerung werden, dass die „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist“. Laut Begründung zielt das vor allem darauf ab, die Einbürgerung von Menschen zu verhindern, die in Mehrehe leben. Im vorgeschlagenen Gesetzestext selber findet sich diese Spezifizierung allerdings nicht. Wann jemand sich in die „deutschen Lebensverhältnisse“ eingeordnet hat, wird nicht definiert.
Rudolph-Kokot sprach deswegen von einer „nebulösen Formulierung“ und kritisierte, es sei somit den ausführenden Behörden überlassen, „nach eigenem Ermessen zu urteilen, wer sich in die ‚deutschen Lebensverhältnisse‘ einordnen könne und wer nicht. Das ist absurd.“ Der Bundesvorsitzende der AG, Aziz Bozkurt, forderte eine Diskussion innerhalb der SPD.
Für viele Geflüchtete unmöglich
Das Bundesinnenministerium hatte ursprünglich einen Passus zur Mehrehe vorgesehen, das Kabinett hatte sich darauf aber nicht einigen können. Nun soll der Aspekt also im parlamentarischen Verfahren seinen Weg ins Gesetz finden.
Am Freitag kritisierte die AG in einem Bundesbeschluss mit dem Titel „Keine Rolle rückwärts beim Staatsangehörigkeitsrecht“ zudem, dass eine Einbürgerung nur noch möglich sein soll, wenn Identität und Staatsangehörigkeit einer Person geklärt sind. Das dürfte für viele Geflüchtete die Einbürgerung unmöglich machen, egal wie lange sie in Deutschland leben.
Die Botschaften mancher Länder stellen keine Pässe aus oder nur unter kaum zumutbaren Bedingungen. Eritrea etwa verlangt eine jährliche [4][Steuer von zwei Prozent des Einkommens]. Viele Geflüchtete könnten also mit dieser Gesetzesänderung „auf absehbare Zeit keine Staatsbürger werden“, heißt es in dem AG-Beschluss, der der taz vorliegt. „Das ist integrationspolitisch ein Desaster.“
18 Jun 2019
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