taz.de -- Hongkongs Regierungschefin: Die unnachgiebige Opportunistin
Carrie Lam ist in Hongkong unbeliebt. Gegenüber der Protestbewegung zeigt sie sich unbeeindruckt und biedert sich der Pekinger Elite an.
Sie ist die erste Frau auf diesem Posten und gibt sich mit ihrer Hartnäckigkeit als Hongkongs „Eiserne Lady“. Carrie Lam Cheng Yuet-ngor, wie sie mit vollen Namen heißt, ist 62 und seit dem 1. Juli 2017 Regierungschefin der chinesischen autonomen Sonderverwaltungszone. Zuvor war sie schon oberste Verwaltungschefin der Metropole mit sieben Millionen Einwohnern und als diese bereits 2014 mit der oppositionellen Regenschirmbewegung konfrontiert.
Die damaligen Proteste hatten genau das Ziel, zu verhindern, dass eine von Peking ausgesuchte und dann von einem prochinesischen Gremium bestätigte Person wie Carrie Lam am Volk vorbei das wichtigste Amt der Stadt erhält. Doch die Regenschirmbewegung, mit der Lam schon damals unnachgiebig im Sinne Pekings verhandelte, scheiterte nach 79-tägiger Blockade wichtiger Straßen im Zentrum der Stadt.
Jetzt ist Lam als Regierungschefin mit noch größeren Protesten konfrontiert, und es ist unklar, ob sie diese trotz Rückendeckung aus Peking politisch überleben wird. Am Sonntag [1][demonstrierten bis zu eine Million Hongkonger] gegen das von Lam forcierte Auslieferungsgesetz. Das würde ermöglichen, Menschen von Hongkong an China auszuliefern und damit Honkongs Autonomie zu untergraben. Viele DemonstrantInnen fordern Lams Rücktritt, die sie nur als Marionette Pekings wahrnehmen.
Aus ärmlichen Verhältnissen in die Elite
Lam gibt sich unbeeindruckt und erklärt, an dem umstrittenen Gesetz festzuhalten. Auch handele sie nicht, wie viele Hongkonger überzeugt sind, auf Anweisung aus Peking, sondern aus eigener Überzeugung. Wahrscheinlich glaubt sie selbst an das von ihr durchgeboxte Gesetz, doch [2][handelt sie in vorauseilendem Gehorsam] gegenüber den Herren in Peking. Als am Mittwoch Zehntausende Demonstranten das lokale Parlament blockierten und es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam, sagte Lam alle öffentlichen Auftritte ab und äußerte sich zunächst nicht.
Sie wurde im Stadtteil Wan Chai als viertes von fünf Kindern ihrer Eltern in einfachen Verhältnissen geboren. Sie besuchte eine katholische Mädchenschule, studierte in Hongkong zunächst Sozialarbeit und Soziologie und gelangte mit einem Stipendium der Hongkonger Regierung an die britische Universität Cambridge. Dort erwarb sie 1982 ein Diplom in Entwicklungspolitik – und die britische Staatsbürgerschaft. Die legte sie erst wieder ab, als sie in Hongkongs Regierung auf hohe Posten rückte, die einen chinesischen Honkong-Pass vorschreiben. In Cambridge hatte sie auch ihren Mann kennengelernt, einen chinesischen Mathematiker.
Seit 1980 arbeitet sie im Hongkonger Staatsdienst, unter anderem in der Finanzverwaltung, der Stadtentwicklungsbehörde, zur Wahlrechtsreform und in der Sozialverwaltung. Auch leitete sie die Vertretung der Stadt in London. Für viele Honkonger ist Lam eine typische Opportunistin, die sich der herrschenden Elite andient. Vielleicht merkt diese noch, dass Lam mit ihrer Sturheit den Bogen überspannt, Hongkongs Klima vergiftet und damit der Stadt sehr schadet.
13 Jun 2019
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