taz.de -- Niedriglöhne in Deutschland: Zu wenig Geld trotz Vollzeitjob

16 Prozent der Deutschen verdienen monatlich trotz Vollzeitjob weniger als 2.000 Euro brutto. Zwischen Ost und West und den Branche sind die Unterschiede groß.
Bild: Leider wenig überraschend: Reinigungskräfte verdienen besonders wenig

Berlin dpa | Rund 3,38 Millionen Vollzeitbeschäftigte in Deutschland haben monatlich zuletzt weniger als 2.000 Euro brutto verdient. Nach den jüngsten offiziellen Daten Ende 2017 waren das 16 Prozent, wie eine der Deutschen Presse-Agentur vorliegende Antwort des Bundessozialministeriums auf eine Anfrage der Linken zeigt. Die Abgeordnete Sabine Zimmermann hatte anlässlich des Tages der Arbeit am 1. Mai danach gefragt.

[1][Die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sind groß:] In Westdeutschland kamen 2,32 Millionen Vollzeitbeschäftigte (13,5 Prozent) auf weniger als 2.000 Euro brutto, in Ostdeutschland 1,06 Millionen (27,5 Prozent). Die höchsten Anteile hatten mit 32,6 Prozent Mecklenburg- Vorpommern und mit 30,2 Prozent Thüringen – die niedrigsten mit 11,4 Prozent Baden-Württemberg und mit 11,5 Prozent Hamburg.

Die Branchenunterschiede sind groß. Das zeigt eine weitere der Deutschen Presse-Agentur vorliegende Antwort, die das Sozialministerium unabhängig davon auf eine kleine Anfrage des AfD-Abgeordneten René Springer gegeben hat: So bildeten bei den hauptsächlichen Berufsgruppen die Beschäftigten der Reinigungsberufe mit einem mittleren Bruttoeinkommen von 1.861 Euro Ende 2017 das Schlusslicht – gefolgt von den Arbeitnehmern im Tourismus, bei Hotels und Gaststätten mit 1.961 Euro.

Es folgen die Land-, Tier- und Forstwirtschaftsberufe mit 2.154 Euro für die Beschäftigten im Mittel, die Lebensmittelherstellung und –verarbeitung mit 2.165 Euro, die nichtmedizinischen Gesundheits- und Pflegeberufe mit 2.353 Euro und die Berufe im Verkauf mit 2.411 Euro. Am oberen Ende der Skala sind die Angehörigen der Informatik- und IT-Berufe mit im Mittel 4.926 Euro brutto im Monat.

Auch Helfer bei Sicherheitsdiensten verdienen wenig

Geringqualifizierte verdienen dabei deutlich weniger: So verdienten vollzeitbeschäftigte Helfer in Hotels und Gaststätten in Ostdeutschland im Jahr 2017 im Mittel nur 1.610 Euro und dort in Reinigungsberufen nur 1.633 Euro. In Westdeutschland sind zudem Helfer bei Sicherheitsdiensten mit im Mittel 1.768 Euro im unteren Bereich der Skala.

Aber auch ein hohes Anforderungsniveau schützt nicht in allen Branchen vor vergleichsweise niedrigem Einkommen: So kommen in Ostdeutschland Fachkräfte in der Werbung nur auf 1.902 Euro im Mittel und Spezialisten in Gartenbau und Floristik auf 2.201 Euro. Fachkräfte insgesamt verdienen im Mittel im Westen 3.098 Euro und im Osten 2.375 Euro.

„Viel zu viele Beschäftigte werden mit Niedriglöhnen abgespeist“, sagte Zimmermann. So sorgten Inflation und vielerorts explodierende Mieten dafür, dass man mit unter 2.000 Euro brutto nicht mehr weit komme. „Es ist ein Skandal, dass insbesondere der Osten weiterhin so deutlich abgehängt ist“, so die Arbeitsmarktexpertin ihrer Fraktion. Von der Bundesregierung forderte Zimmermann unter anderem eine Erhöhung des Mindestlohns von 9,19 Euro auf 12 Euro und die Abschaffung von Leiharbeit.

28 Apr 2019

LINKS

[1] /Lohnungleichheit-in-Deutschland/!5520991

TAGS

Vollzeit
Die Linke
Mindestlohn
Gehalt
Schwerpunkt Ostdeutschland
Niedriglohn
Arbeitsmarkt
Horst Seehofer
Berlin-Charlottenburg
Mindestlohn
Integration

ARTIKEL ZUM THEMA

Jobmarkt und Ausbildung: Jung, gesund, ausbeutbar

Eine OECD-Studie fordert bessere Förderung von Geringqualifizierten. Zugewanderte und Geflüchtete haben dabei besondere Problemlagen.

30 Jahre Deutsche Einheit übersehen?: Ein unvorhergesehener Jahrestag

Horst Seehofer dementiert, die Feier zum Einheitsjubiläum übersehen zu haben. Ein Schreiben lässt jedoch Zweifel an seiner Version zu.

Prekäre Arbeit in Berlin: Einsame Zeitungszusteller

Für viele Verlage ist die Zustellung von Zeitungen ein Verlustgeschäft. Sie drängen auf staatliche Unterstützung. Für Zusteller bleibt der Job prekär.

Neuer Landesmindestlohn in Bremen: Ein Schritt in Richtung zwölf Euro

Der Landesmindestlohn in Bremen soll ab Juli auf 11,13 Euro steigen. Profitieren werden davon auch studentische Hilfskräfte und Beschäftigte des zweiten Arbeitsmarkts.

Niedriglohnsektor in Deutschland: Migranten übernehmen die Billigjobs

40 Prozent der Jobs im Niedriglohnsektor in Deutschland werden von Migranten ausgeübt. In anderen Ländern der EU und der OECD sind es nur ein Viertel.