taz.de -- Vorbereitung auf den Brexit: No Deal? No Problem

Die Vorbereitungen auf einen möglichen ungeordneten Brexit sind in Großbritannien abgeschlossen. Zu Chaos dürfte es nicht kommen.
Bild: Schlangen gibts sowieso: Autobahnzubringer zum Hafen Dover

London taz | Beim Hafen Bristol im Südwesten Englands ist man auf einen No-Deal-Brexit vorbereitet. Der Grund ist einfach: Der Handel hier geht in Richtung USA – und kann als Vorbild dienen. „Alles wird effizient weiterlaufen, sobald das Vereinigte Königreich die EU verlässt“, schreibt die Hafenverwaltung in ihrem März-Bericht. „Wir haben hierfür außerdem den Container-Terminal mit zwei neuen Kränen erneuert. Somit können wir umgeleiteten Verkehr von Dover gut bewältigen.“

Anders in Ramsgate im Südosten. Der nahezu stillgelegte Hafen nur 32 Kilometer von Dover entfernt sollte eigentlich Dover als zentralen Gateway nach Europa entlasten. Im Januar wurde sogar das Hafenbecken entschlammt. Doch die Lokalbehörde Thanet bestätigte der taz jetzt: „Es bestehen keine Pläne, Ramsgate als kommerzielle Alternative zu Dover im Brexit-Fall zu nutzen.“

Denn vielleicht wird das gar nicht nötig. Bei einem No-Deal-Brexit entsteht über Nacht eine Zollgrenze zwischen Großbritannien und der EU. Aber die britische Regierung sagt, dass der Großteil der Importe erst mal durchgewunken werden soll, um Chaos abzuwenden.

Auch gegenüber, im französischen Calais, sagte Hafenchef Jean-Marc Puissesseau bereits im Januar, es werde keine zusätzlichen Kontrollen geben.

Größtes Sonderprojekt in Friedenszeiten

Der Flugverkehr wird im Falle eines No-Deal-Brexit weiterlaufen wie bisher. Die EU-Kommision verfügte, dass alle bestehenden Luftverkehrsmaßnahmen mindestens bis Ende 2019 weitergelten. Während die Fortdauer der gegenseitigen Anerkennungen im Urheberrecht nicht gewährleistet ist und die Regierung hier rechtliche Beratung empfiehlt, gelten Klimawandel- und Umweltschutzrichtlinien der EU in Großbritannien weiter.

Insgesamt hat die Regierung 1,5 Milliarden Pfund für No-Deal-Vorbereitungen bewilligt und 2.000 Beamte in den No-Deal-Sondereinsatz gesteckt – das größte Sonderprojekt des öffentlichen Dienstes in Friedenszeiten, heißt es.

Rechtlich steht alles bereit: Der Großteil der EU-Gesetzgebung ist bereits in britisches Recht überführt.

Eine Priorität: die Lagerung medizinischer Vorräte. Ein Beispiel: eine neue 14.000 Quadratmeter große Lagerhalle für das nationale Gesundheitssystem in Wales mit 1.700 Produkten, von Spritzen und Verbänden bis zu Toilettenpapier und Lebensmittelkonserven, darunter 22 Tonnen Baked Beans. Der Vorrat soll für Wales acht Wochen reichen.

Was man im Falle eines No-Deal beachten soll, teilt die Regierung permanent mit. Exporteure sollen sich bei Steuer- und Zollbehörden melden, EU- Bürger*Innen sollen sich um ihr Bleiberecht kümmern, und bei Reisen in die EU ist die europäische Gesundheitsversicherungskarte nicht mehr gültig.

80 Prozent aller großen Unternehmen sind nach Angaben der Zentralbank mittlerweile auf einen No-Deal-Brexit vorbereitet, 30 Prozent mehr als noch im Januar. Dazu gehören zusätzliche Lagerkapazitäten und das Einkalkulieren von Verzögerungen im Warentransport.

Doch unter kleineren Unternehmen sieht es nicht so gut aus, besonders was die Steuer- und Zollanmeldung betrifft, obwohl dies nach Meinung von Jonathan Thompson, Chef der Steuer- und Zollbehörde HMRC, das wichtigste überhaupt sei.

Von 240.000 betroffenen Unternehmen hätten sich bis Anfang März nur 47.000 darum gekümmert. Inzwischen wurde das Anmeldeverfahren vereinfacht.

Was EU-Personal betrifft, gelten Arbeitsrechte für Bürger der EU, der Schweiz und des Europäischen Wirtschaftsraums bis Ende 2020 unverändert weiter.

Im Finanzsektor, besonders wichtig für beide Seiten, sieht es besser aus als einst erwartet, sagte kürzlich Zentralbankchef Mark Carney. EU-Institute dürfen vorübergehend auch im No-Deal-Fall weiter britische Dienste in Anspruch nehmen.

„Es bestehen sehr starke Meinungen“

Und politisch? Viele Beobachter fürchteten einst Unruhen. 10.000 Polizisten und 3.500 Soldaten stehen auf Standby, im Falle einer Krise. Martin Hewitt, Vorsitzender des nationalen Polizeistabs, sagte aber, das werde nur bei den schlimmsten Szenarien nötig. „Es bestehen sehr starke Meinungen zum Austritt aus der EU, die oft laut und mit Leidenschaft vorgetragen werden.“

Was Nordirland betrifft, glauben viele Beobachter wie der respektierte irische Journalist Tony Connelly, dass es bei einem No-Deal weniger Probleme geben werde als angenommen.

Connelly meint, dass der Handel erst mal weitergeht wie bisher und Kontrollen erst später kommen, und nicht an der inneririschen Grenze. Weder Irland noch Großbritannien würden dies offen zugeben.

10 Apr 2019

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Daniel Zylbersztajn

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