taz.de -- Deutsche Waffen im Ausland: Zwei Augen zugedrückt
Die Bundesregierung kontrolliert nur in Ausnahmefällen, was mit deutschen Waffen im Ausland passiert. Dabei landen einige von ihnen im Jemen.
Berlin taz | Die Vorwürfe der Menschenrechtsorganisation wiegen schwer: Anfang Februar beschuldigte Amnesty International die Vereinigten Arabischen Emirate, moderne Waffen [1][an Milizen im Jemenkrieg weitergegeben zu haben]. Die Milizionäre kämpfen demnach unter anderem mit Gewehren Marke Rheinmetall. Und diese, [2][so behauptet es Amnesty unter anderem im Deutschlandfunk], könnten direkt aus den Beständen der Emirate stammen.
Die Grünen im Bundestag haben jetzt die Bundesregierung befragt, was sie über die Vorwürfe weiß. Die Antwort fällt nüchtern aus: „Der Bundesregierung liegen keine aktuellen Informationen zu Verstößen gegen Endverbleibserklärungen für aus Deutschland in die Vereinigten Arabischen Emirate oder nach Saudi-Arabien ausgeführte Rüstungsgüter vor“, schreibt das Wirtschaftsministerium.
In sogenannten Endverbleibserklärungen versprechen Empfängerstaaten von Rüstungsexporten, die gekauften Waffen nicht weiterzugeben. Würden sie die Erklärungen nicht unterschreiben, würden die Exporte gar nicht erst genehmigt. Aber dass die Regierung jetzt angibt, über etwaige Verstöße nichts zu wissen, verwundert nicht: Sie überprüft nur in Ausnahmefällen, ob Rüstungskunden die Abmachungen einhalten.
Erst seit 2015 sind Vor-Ort-Kontrollen rechtlich überhaupt vorgesehen. Sigmar Gabriel setzte damals als Wirtschaftsminister eine entsprechende Änderung der Außenwirtschaftsverordnung durch. Die Kontrollen sind aber [3][nicht für jedes Geschäft verpflichtend]. Tatsächlich fanden bisher nur drei Inspektionen statt: eine in Indien, eine in Südkorea und eine in den Emiraten. Details, etwa zur Art der kontrollierten Waffen, sind nicht bekannt.
Konkrete Ideen von Greenpeace
Wegen des Jemen-Falls fordert die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger strengere Regeln. „Der Regierung ist es offensichtlich egal, ob deutsche Waffen [4][im blutigen Jemenkrieg] eingesetzt werden oder nicht“, sagte sie der taz. „Es braucht unbedingt eine strenge und verantwortungsvolle Endverbleibskontrolle bei Rüstungsexporten, damit gefährliche Waffen auch nicht über Umwege in die Hände von brutalen Kriegsparteien gelangen können.“
Konkrete Vorschläge dazu machte am Montag Greenpeace. In einem Sechs-Punkte-Papier fordert die Organisation unter anderem, dass die Bundesregierung häufiger kontrolliert: „Kontrollen müssen in einer Fallzahl durchgeführt werden, die eine klar abschreckende Wirkung hat.“ Bei Verstößen müsse Deutschland alle Waffenexporte in das entsprechende Land stoppen. Und anders als bisher sollten Kontrollen nach dem Willen von Greenpeace auch in EU- und Nato-Staaten stattfinden – nicht nur in Drittländern.
Warum sich Kontrollen beispielsweise in den USA lohnen könnten, zeigt der Fall Sig Sauer. Ab Dienstag stehen Mitarbeiter des Unternehmens vor Gericht, weil sie ab 2009 Pistolen über die USA nach Kolumbien verkauft haben sollen. Wären Endverbleibskontrollen überall Pflicht, wären die Angeklagten wohl schon früher aufgeflogen.
26 Feb 2019
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