taz.de -- Kommentar EU-Reform zum Urheberrecht: Ein Traum für Facebook und Faschisten

Die Vorlage zur Urheberrechtsreform bringt marginale Verbesserungen. Der Uploadfilter allerdings wird die umfänglichste Vorzensur bislang.
Bild: Werden keine positiven Effekte für europäische Kreative haben: Leistungsschutzrecht und Uploadfilter

Marija Gabriel, die Digitalkommissarin der EU, ist sich sicher: Die Urheberrechtsreform, die im März zur Abstimmung im Parlament steht, sei eine Stärkung für den kulturellen und kreativen Sektor der EU. So kann man die technologische und politische Monstrosität, die da geschaffen wird, natürlich auch beschreiben.

Tatsächlich bringt die Vorlage einige marginale Verbesserungen. Was aber keinerlei positiven Effekt für die europäischen Kreativen haben wird, sind das in Artikel 11 auf europäische Ebene gehobene Leistungsschutzrecht und die Verpflichtung zur [1][Einrichtung sogenannter Uploadfilter]. Letztere bedeuten den Zwang, von NutzerInnen generierte Inhalte vor Veröffentlichung auf Rechteverletzungen zu überprüfen.

Angesichts der Datenmenge, die sekündlich online geht, bedarf es zur Umsetzung der Regelung extrem leistungsfähiger technischer Filter. Diese zu entwickeln wird Großkonzernen mit entsprechender Finanzkraft vorbehalten sein. Weil Google und Facebook da die Einzigen sind, die den Vorgaben überhaupt genügen können, ist der Artikel 13, der die Uploadfilter vorschreibt, eine langfristige Rückversicherung für ihre marktbeherrschende Stellung.

Die Infrastruktur, die zur Überwachung des Datenverkehrs entwickelt werden muss, wird außerdem die umfänglichste Vorzensur aller Zeiten werden. Daran werden sicher nicht nur Musikverlage und Filmverleihe interessiert sein, sondern auch der eine oder andere Despot oder „illiberale Demokrat“.

Seltsame Wendung der Geschichte

Die Wiederbelebung des Leistungsschutzrechts schließlich ist eine seltsame Wendung der Geschichte. In Deutschland im Wesentlichen auf Betreiben des Springer-Verlages eingeführt, erwies es sich schon mit der Einführung als Desaster. Alleine die Drohung der Suchmaschine Google, Verlinkungen, für die Abgaben an die Verlage zu entrichten wären, einfach abzuschalten, genügte, um das Gesetz mit Inkrafttreten praktisch unwirksam werden zu lassen.

Wie das auf europäischer Ebene anders laufen soll, bleibt das Geheimnis der EU-Institutionen. Die EU hätte mit der überfälligen Reform pragmatische Lösungen finden können, die vielleicht nicht der Goldstandard des digitalen Zeitalters gewesen wären, aber immerhin die Kreativen und Rechteinhaber in größerer Breite finanziell unterstützen würden. Etwa durch eine pauschale Urheberrechtsabgabe, deren Erlöse den bereits bestehenden Verwertungsgesellschaften zufließen könnten. Dagegen ist das Leistungsschutzrecht ein schlechter Witz, die Uploadfilter aber nur eines: ein fickpissiger Fiebertraum für Facebook und Faschisten.

14 Feb 2019

LINKS

[1] /EU-Urheberrechtsreform/!5573394

AUTOREN

Daniél Kretschmar

TAGS

Schwerpunkt Überwachung
Urheberrecht
Leistungsschutzrecht
Google
Schwerpunkt Meta
Schwerpunkt Urheberrecht
Schwerpunkt Urheberrecht
Datenschutz
Schwerpunkt Urheberrecht
EU
Europäische Union
EU

ARTIKEL ZUM THEMA

Abstimmung über EU-Urheberrecht: Uploadfilter doch nicht ganz schnell

Die Konservativen im EU-Parlament drängelten bei der Abstimmung über die Copyright-Reform. Nach Protesten machen sie nun einen Rückzieher.

Abstimmung über EU-Urheberrecht: Uploadfilter ganz ganz schnell

Die Konservativen im EU-Parlament wollen möglichst schnell übers Urheberrecht abstimmen. Gegner*innen der Reform fühlen sich ausgetrickst.

Demo gegen EU-Urheberrechtsreform: „Wir sind die Bots“

Erneut demonstrierten Tausende gegen die EU-Urheberrechtsreform, diesmal in Berlin. Sie kritisieren, dass Autoren und Kreative benachteiligt werden.

Demo gegen EU-Urheberrechtsreform: Berlin gegen Artikel 13

Vor allem junge Menschen protestieren heute in Berlin gegen geplante EU-Regelungen. Sie könnten das Internet grundlegend verändern.

Urheberrechtsreform der EU: Unter Vorbehalt zugestimmt

Die umstrittene EU-Reform des Urheberrechts im Internet ist noch nicht ganz durch. Selbst Bundesjustizministerin Katarina Barley zweifelt.

Petition gegen EU-Urheberrechtsreform: 4,7 Millionen Unterschriften für Barley

Die geplante EU-Urheberrechtsreform steht besonders wegen den Artikeln 11 und 13 unter Kritik. Gegner haben nun eine Petition im Justizministerium eingereicht.

EU-Urheberrechtsreform: Upload-Waaas?

Die EU-Verhandler einigen sich auf einen Text für die geplante Urheberechtsreform. Eine Handreichung für alle, die nicht mehr durchblicken.

Reform des EU-Urheberrechts: Mitgliedsstaaten mehrheitlich dafür

Der zwischen Deutschland und Frankreich erzielte Kompromiss ist von den EU-Ländern übernommen worden. Nun wird mit dem Europaparlament verhandelt.

Kompromiss zur EU-Urheberrechtsreform: Klitzekleine Ausnahmen

Deutschland und Frankreich finden zum Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform einen Kompromiss. Kritik daran kommt von mehreren Seiten.