taz.de -- Gastkommentar Rüstung Saudi-Arabien: Richtiger Schritt aus falschem Anlass
Dass die Bundesregierung die Ausfuhr von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien stoppt, ist richtig. Nur die Begründung dafür ist falsch.
Endlich, möchte an meinen. [1][Die Bundesregierung stoppt die Rüstungsexporte] nach Saudi-Arabien. Es wird keine neuen Exportgenehmigungen mehr geben und wichtiger noch: Bereits erteilte Einzelausfuhrgenehmigungen sollen nicht weiter genutzt werden. Die erst vor wenigen Monaten genehmigten Artillerieortungsradare sollen ebensowenig ausgeliefert werden wie bereits gebaute Patrouillenboote der Firma Lürssen.
Zugleich ist Vorsicht ist angebracht. Außenminister Maaß sprach kürzlich davon, „derzeit“ seien die Voraussetzungen für positive Genehmigungsentscheidungen nicht gegeben und in der Bundespressekonferenz bemühten sich die Sprecher der Bundesregierung redlich, nur ja keine Klarheit zu schaffen, wie man mit bestehenden Exportgenehmigungen und den betroffenen Firmen umgehe. Darauf könne man aus „verfassungsrechtlichen Gründen“ nicht „naher eingehen“.
Anlass für das Umdenken der Bundesregierung ist erklärtermaßen vor allem die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul. Saudi-Arabien soll reinen Tisch machen, die Tat nachvollziehbar erklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Und dann, so fragt man sich, gibt es auch wieder deutsche Rüstungsgüter?
Hier wird das ganze Dilemma der deutschen Politik sichtbar: Tausende jemenitischer Zivilisten, die seit März 2015 Opfer des von Saudi-Arabien geführten Krieges gegen die Houthis wurden, haben die Bundesregierung nicht zu einem völligen Stopp aller Waffenlieferungen veranlasst. Jetzt soll dieser Schritt aufgrund der willkürlichen, brutalen Ermordung eines einzelnen Journalisten vollzogen werden.
Das damit verbundene politische Signal ist fatal: Riad muss die Causa Khashoggi bereinigen und nicht den Krieg im Jemen beenden, wenn es wieder [2][deutsche Rüstungsgüter kaufen] will. Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass die Bundesregierung gegen das zweite Land, das im Jemen direkt Krieg führt, die Vereinigten Arabischen Emirate, keinen vollständigen Lieferstopp verhängt.
Das Verdikt bezieht sich nach Angaben des Wirtschaftsministeriums zudem nur auf Einzelausfuhrgenehmigungen. Zulieferungen deutscher Firmen für große, internationale Waffenprojekte wie den Eurofighter, die per Sammelausfuhrgenehmigung erlaubt wurden, sind scheinbar nicht betroffen. Hier strebt die Bundesregierung lediglich eine gemeinsame Haltung in der Europäischen Union an. Die aber dürfte es kaum oder auch nur vorübergehend geben.
20 Nov 2018
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Man muss sich mit dem Militär auskennen, um es effektiv zu kritisieren, fand Otfried Nassauer. Nun ist er im Alter von 64 Jahren gestorben.
Deutschland und Frankreich wollen offenbar die Regeln für Rüstungsexporte aufweichen. Die Grünen sind dagegen – und präsentieren einen Gegenvorschlag.
Deutschland hat im vergangenen Jahr deutlich weniger Waffen verkauft. Das geht auch auf den Lieferstopp nach Saudi-Arabien zurück.
Der Anteil deutscher Lieferungen an Staaten, die aktuell Krieg führen oder schwere Menschenrechtsverletzungen begehen, ist weiterhin hoch.
Im dritten Jahr in Folge sind die deutschen Rüstungsexporte auch 2018 zurückgegangen. Allerdings ist Saudi-Arabien noch immer viertgrößter Kunde.
Erstmals seit zwei Jahren treffen sich die jemenitischen Kriegsparteien. Zunächst nur, um Vertrauen aufzubauen. Die Gespräche beginnen bei Null.
Messergebnisse zum Brand der Lürssen-Werft legen nahe, dass die Feuerwehr vorschnell entwarnt hat. Für Fehlentscheidungen will niemand zuständig sein.
Der US-Präsident zieht mit seiner Parteinahme für Riad heftige Kritik auf sich. Die Türkei tritt für ein internationales Khashoggi-Tribunal ein.
Die These von der Drahtzieherschaft des mächtigen Autokraten in Riad klingt schlüssig. Aber Vermutungen helfen nicht weiter.
Trotz der Hinweise auf eine mögliche Beteiligung der saudischen Führung an dem Mord will der US-Präsident die Partnerschaft mit dem Königreich nicht aufgeben.
18 Saudis dürfen nicht mehr nach Deutschland, weil sie in Verbindung zum Fall Khashoggi stehen könnten. US-Präsident Trump pocht auf die Unschuldsvermutung.
Die Bundesregierung könnte kontrollieren, ob gelieferte Waffen an Dritte weitergegeben werden. Sie nutzt diese Möglichkeit kaum.
Nach dem Khashoggi-Mord will die Große Koalition Waffenexporte nach Saudi-Arabien einstellen. Doch schon bald könnten sie weitergehen.