taz.de -- Flüchtlingskrise in Venezuela: Keine Festung Lateinamerika

Elf Staaten Lateinamerikas erklären sich dazu bereit, Flüchtlinge aus Venezuela aufzunehmen. „Propaganda“, heißt es in Caracas.
Bild: Erstmal gerettet? Ob die Geflüchteten aus Venezuela wie hier in Quito eine Zukunft haben?

Buenos Aires taz | Elf lateinamerikanische Staaten haben angesichts der [1][Migrationskrise in Venezuela] internationale Hilfe gefordert. Zugleich appellierten sie an die Regierung in Caracas selbst internationale humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung zuzulassen und Ausreisewilligen gültige Reisedokumente auszustellen.

Die Forderungen sind Teil einer 18 Punkte umfassenden [2][Erklärung], die Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Peru, Ecuador, Chile, Costa Rica, Mexiko, Panama, Paraguay und Uruguay am Dienstag in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito verabschiedeten. Bolivien lehnte die Erklärung ab, Venezuela war eingeladen, entsandte aber keinen Vertreter.

Nach [3][Angaben der Vereinten Nationen] haben von den rund 30 Millionen VenezolanerInnen bereits 2,3 Millionen das Land verlassen. Bislang gibt es keine gemeinsame Koordinierung der Migration, die den Aufnahmeländern immer mehr zu schaffen macht.

Im brasilianischen Bundesstaat Roraima war es im August zu gewaltsamen Übergriffe gegen VenezolanerInnen gekommen. Die Regierung in Brasília entsandte das Militär um die Lage zu beruhigen.

Größte Migrationsbewegung der jüngeren Geschichte

Kolumbien trägt mit über 900.000 die Hauptlast der Migrationsbewegung, gefolgt von Peru mit 400.000. In Ecuador sind gegenwärtig 120.000 und in Brasilien rund 60.000 VenezolanerInnen. In Chile wird die Zahl auf 300.000 geschätzt, aus Argentinien werden rund 70.000 gemeldet.

Laut UN ist es eine der größten Migrationsbewegungen in der jüngeren Geschichte Lateinamerikas. Humanitäre und wirtschaftliche Gründe treiben die Menschen aus dem Land: Knappheit bei Nahrungsmitteln und Medikamenten, Engpässe bei der Strom- und Wasserversorgung, dramatisches Einbruch der Wirtschaft und Hyperinflation.

“Man versucht die normale Migrationsbewegung zu einer humanitären Krise zu verwandeln, um ein international Eingreifen in Venezuela zu rechtfertigen“, wehrte die venezolanische Vizepräsidentin Delcy Rodríguez am Montag vor dem Treffen in Quito ab.

Diosdado Cabello, Präsident der verfassunggebenden Versammlung ANC wertete die Erklärung von Quito gar als Anerkennung der Regierung in Caracas, die nach der [4][umstrittenen Wiederwahl von Maduro] von zahlreichen Staaten verweigert wurde.

Die Propagandaschlacht

Venezuelas Regierung hatte bereits in den vergangenen Monaten mehrfach die Existenz einer Migrationskrise geleugnet, zugleich aber die kolumbianische Regierung als einen der Drahtzieher hinter der Abwanderungsbewegung beschuldigt.

Nach den Worten von Präsident Nicolás Maduro erliege vor allem die Mittelklasse den Lockrufen aus dem Ausland, was sie jedoch erwarte seien Rassismus und Sklaverei. „Hört auf im Ausland die Klos zu putzen und kommt zurück ins Vaterland,“ sagte Maduro Ende August.

Die gemeinsame Erklärung von Quito geht indes über Appelle nicht hinaus. Die Unterzeichnerstaaten wollen weiter venezolanische MigrantInnen aufnehmen. Es wurde vereinbart, auch abgelaufene Pässe und Ausweise von VenezolanerInnen als gültige Dokumente anzuerkennen. Für November ist ein weiteres Treffen geplant.

6 Sep 2018

LINKS

[1] /Fluechtlinge-in-Suedamerika/!5529267
[2] http://www.eluniversal.com/internacional/19708/declaracion-de-quito-insta-a-region-a-seguir-acogiendo-emigrantes-venezolanos
[3] https://news.un.org/en/story/2018/08/1017642
[4] /Kommentar-Wahl-in-Venezuela/!5504224

AUTOREN

Jürgen Vogt

TAGS

Venezuela
Lateinamerika
Geflüchtete
Humanitäre Hilfe
Venezuela
Venezuela
Venezuela
Mexiko
Schwerpunkt Flucht
Venezuela
Venezuela
Venezuela

ARTIKEL ZUM THEMA

Krise in Venezuela: Parlamentschef festgenommen

Der Parlamentsvorsitzende Guaidó wollte das Amt des Staatschefs übernehmen und Neuwahlen ausrufen. Der Machtkampf mit Präsident Maduro spitzt sich zu.

Machtkampf in Venezuela: Parlament will Maduro absetzen

Im venezolanischen Parlament hat die Opposition die Mehrheit. Die will sie nun nutzen, um einen neuen Staatschef zu stellen und um Neuwahlen auszurufen.

Druck auf Venezuela: Rechtsregierungen gegen Maduro

13 Staaten der lateinamerikanischen Lima-Gruppe wollen keine weitere Amtszeit von Venezuelas chavistischem Präsidenten Nicolás Maduro anerkennen.

Honduraner auf dem Weg in die USA: Migranten stecken an Brücke fest

Mittelamerikanische Migranten sind auf dem Weg nach Norden: Erste Honduraner kehren in die Heimat zurück, andere haben Mexiko erreicht.

Flüchtlinge in Südamerika: Tausende verlassen täglich Venezuela

Der Exodus der VenezolanerInnen schafft immer mehr Spannungen in den Nachbarländern. Mitte September soll ein Krisengipfel Lösungen finden.

Gericht kippt Einreisebschränkung: Ecuador öffnet seine Grenzen

Venezolaner ohne Reisepass können mit Personalausweis die Grenze nach Peru passieren. Hunderte flüchtende Menschen wurden seit Freitag an die Grenze gefahren.

Venezolanische Flüchtlinge in Brasilien: Bundesstaat will Grenze schließen

Ein brasilianischer Bundesstaat will keine flüchtenden Venezolaner mehr einlassen. Auch in Kolumbien gibt es Proteste gegen die Zuwanderung.

Venezolaner in Brasilien angegriffen: Gewalt gegen Flüchtlinge

Viele Venezolaner sind wegen der desolaten Lage in die brasilianische Stadt Pacaraima geflohen. Ein wütender Mob griff sie nun an.