taz.de -- Kommentar Abkommen über Idlib: Ein Tyrann hilft dem anderen

Russland und Syrien brannten darauf, die Rebellenstadt Idlib zurückzuerobern. Nun verhalf die Türkei Moskau dazu, das Gesicht zu wahren.
Bild: Präsident Recep Erdoğan und Kremlchef Wladimir Putin am Montag beim Treffen in Sotschi

Der Sturm auf Idlib, die letzte Rebellenhochburg in Syrien, ist erst einmal verhindert, [1][zumindest aufgeschoben worden]. Das gab Moskaus Verteidigungsminister Sergei Schoigu noch am Rande des Treffens zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Erdoğan und Kremlchef Wladimir Putin [2][in Sotschi zu Protokoll]. Bleibt es dabei? Nicht zuletzt hängt das von Baschar Assad ab und ob Moskau ihn zügeln will oder kann.

Eigentlich brannten beide, Damaskus und Moskau, auf die Entscheidungsschlacht. Nun sieht es gar so aus, als sei Erdoğan als Sieger aus dem Ringen hervorgegangen.

Moskau hat das Für und Wider einer nicht militärischen Initiative anscheinend noch einmal durchdekliniert und ist zu einem ungewöhnlichen Ergebnis gekommen. Langfristig möchte der Kreml das Nato-Mitglied Türkei dem Bündnis entfremden und Ankaras Beziehungen zum Westen weiter eintrüben. Mit der Türkei und China als engeren Partnern stünde der Kreml international nicht mehr so isoliert da.

Hätte Moskau stattdessen mit dem Bombardement Idlib [3][wie Aleppo vom Erdboden getilgt], wären dies nicht nur schreckliche Bilder gewesen. Anhaltende Flüchtlingsströme in die Türkei würden belegen, wie Russlands Friedensaufbau tatsächlich aussieht. Es wäre ein Widerspruch zur russischen Propaganda gewesen, die unermüdlich vorgibt, bald könnten alle Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren.

Keine Offensive in Idlib heißt: auch keine weiteren Verluste für russische Militärs. Zinksärge hätten der Zustimmung für Putin keinen neuen Auftrieb verliehen. Außerdem versucht Moskau seit Längerem, im Westen Gelder für den Wiederaufbau Syriens zu erhalten. Selbst hat der Kreml nichts mehr und wäre auch nicht bereit, viel zu geben. Idlibs Ruinenhaufen wären kein Anreiz für großzügige Unterstützung. Ohnehin ist umstritten, ob einer zerstörenden Macht Aufbauhilfe zusteht.

Kurzum, der Tyrann aus Ankara verhalf dem aus Moskau dazu, das Gesicht zu wahren.

19 Sep 2018

LINKS

[1] /Kommentar-Militaeroffensive-in-Idlib/!5533275
[2] /Angriff-auf-Idlib-vorerst-abgesagt/!5536822
[3] /Krieg-in-Syrien/!5271964

AUTOREN

Klaus-Helge Donath

TAGS

Idlib
Schwerpunkt Syrien
Türkei
Russland
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt Syrien
Türkei
Türkei
Türkei
Syrische Chemiewaffen

ARTIKEL ZUM THEMA

Syrische Region Idlib: Pufferzone scheint zu funktionieren

Die russisch-türkische Vereinbarung zur Provinz Idlib wird umgesetzt. Rebellen haben schwere Waffen abgezogen. Es gibt Unwägbarkeiten.

Plan für Pufferzone in Syrien: Atempause für Idlib

Der russisch-türkische Plan für eine Pufferzone im umkämpften Idlib in Syrien birgt viele Unwägbarkeiten. Werden sich die Milizen zurückziehen?

Angriff auf Idlib vorerst abgesagt: Durchbruch bei Putin und Erdoğan

In Sotschi haben die Präsidenten Russlands und der Türkei beschlossen, eine Pufferzone in Idlib einzurichten. Rebellen sollen sich daraus zurückziehen.

Kommentar Militäroffensive in Idlib: Der Westen schaut zu

In Idlib droht ein Blutbad wie es eines im syrischen Krieg noch nicht gab. Als Schutz für die demokratischen Kräfte dort bleibt nur die Türkei.

Gastkommentar Chemiewaffen in Syrien: Wegducken ist keine Option

Der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien muss Ächtung erfahren. Über die Bestrafung von Kriegsverbrechen zu diskutieren, ist ein Anfang.