taz.de -- Kommentar Der Wald und das Klima: Hier retten, dort roden
Die Waldbrände in Brandenburg und die geplante Abholzung des Hambacher Forstes: Beides steht für den Irrsinn der deutschen Klimapolitik.
Es sind ähnliche Bilder, doch die Botschaft könnte unterschiedlicher nicht sein: Südlich von Berlin [1][kämpften am Wochenende Hunderte Feuerwehrleute] mit Schläuchen und Hubschraubern gegen die Flammen, die Polizei stellte Wasserwerfer zur Verfügung, um den Kiefernforst zu schützen. Gut 500 Kilometer weiter westlich ziehen ebenfalls mehrere hundert Uniformierte [2][mit schwerem Gerät durch den Wald]. Doch hier geht es nicht darum, ihn zu schützen, sondern seine Rodung vorzubereiten: Der Hambacher Wald soll der Braunkohle weichen.
Die beiden Szenen zeigen den Irrsinn, der sich in der deutschen Klimapolitik im Sommer 2018 abspielt. Die großflächigen Waldbrände, deren Rauch noch im Stadtzentrum von Berlin zu riechen war, werden begünstigt durch die wochenlange Dürre, die auch die Felder und Wiesen verdorren lässt. Es sind genau die Szenarien, vor denen Klimaforscher seit Jahren warnen, die wir jetzt erstmals live erleben. Das müsste eigentlich ein letzter Weckruf sein, jetzt endlich Ernst zu machen mit dem Klimaschutz. Verkehrswende, Kohleausstieg, Umbau von Land- und Forstwirtschaft – was zu tun ist, steht fest.
Doch kurzfristige wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen, um langfristige Schäden zu verhindern, dazu ist die deutsche Politik weiterhin nicht in der Lage. Das zeigt sich am zweiten Brennpunkt, dem Hambacher Wald. Zwar beruft sich der Stromkonzern RWE, der dort die alten Bäume für seinen Tagebau roden will, zu Recht auf bestehende Genehmigungen. Und auch die Polizei verweist zu Recht darauf, dass sie nur umsetzt, was das Land NRW 2016 beschlossen hat – übrigens unter einer rot-grünen Regierung.
Doch seitdem ist einiges passiert. Immer mehr Studien kommen zu dem Schluss, dass Deutschland die Kohleverstromung schneller verringern kann und muss als bisher geplant. Eine hochrangig besetzte Kommission verhandelt derzeit über die Details – unter großer Aufmerksamkeit der weltweiten Klima-Community, für die sich an dieser Frage die deutsche Glaubwürdigkeit entscheidet.
In dieser Situation, in der unklar ist, wo noch wie viel Braunkohle gebraucht wird, sollten – unabhängig von der rechtlichen Situation – keine Bäume gefällt und somit Fakten geschaffen werden, die hinterher nicht reversibel sind. Wenn RWE zu dieser Einsicht von allein nicht willens ist, muss die Politik entsprechenden Druck ausüben. Denn dass im Rheinland Wälder abgeholzt werden, um den Klimawandel voranzutreiben, während gleichzeitig in Brandenburg Wälder gelöscht werden, die wegen des Klimawandels brennen – das ist wirklich schwer zu vermitteln.
27 Aug 2018
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Klimawandel trifft auch die Milliardäre der Tech- und Traumfabrik. Doch statt in Lösungen investiert man lieber in neue Paläste. Nur wo?
Brandenburg hat ein Problem mit alter Munition im Boden. Das hat nicht nur Auswirkungen auf Bauarbeiten, sondern auch bei Waldbränden.
Geht es schon los im Hambacher Forst? Nein, sagt die Polizei, wir helfen der RWE nur beim Aufräumen. Die Baumbesetzer rufen zum Protest auf.
Malutensilien zur Waffe erklärt, Bündnismobil abgefackelt: Vor der befürchteten Räumung nehmen Schikane, Staatsgewalt und Nervosität zu.
Die schwarz-rote Koalition tut nichts fürs Klima – und bremst in Brüssel. Angela Merkel ist gegen neue EU-Klimaziele.
Bis auf ein paar verrückte Eichhörnchen betrifft die Hitzewelle kaum jemanden. Dabei belegt der Sommer, wovor Forscher lange warnten.
Hundertschaften durchsuchen das Camp von Tagebau-GegnerInnen und die mobilisieren UnterstützerInnen. Eine Eskalation scheint unausweichlich.
Nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen vom Sonntag sucht die Polizei nach Beweisen. Angestellte von RWE wollen demonstrieren, weil sie sich bedroht fühlen.
Auch in Schweden gilt Schulpflicht. Eine Stockholmerin hat derzeit allerdings Wichtigeres zu tun: Sie ermahnt Politiker, die Klimafrage ernstzunehmen.
Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) lehnt einen „zu schnellen“ Kohleausstieg ab. Das sei die falsche Position für ein Energiewendeland, meinen die Grünen.
Hunderte Feuerwehrleute kämpfen südlich von Berlin immer noch gegen einen riesigen Waldbrand. Ein Ende ist nicht in Sicht.
In Brandenburg tobt der bisher größte Waldbrand des Jahres. Die Erderwärmung mache solche Feuer wahrscheinlicher, sagen Klimaforscher.
Im Südwesten Brandenburgs brennen 400 Hektar Wald, drei Dörfer wurden evakuiert. Die Löscharbeiten der Feuerwehr sind wegen Altmunition erschwert.