taz.de -- Google in China: Protest gegen die Selbst-Zensur
Google will zurück auf den chinesischen Markt – und ist dafür bereit, sich der Zensur zu unterwerfen. Nun hagelt es Protest von über 1.000 Mitarbeitern.
Peking taz | Noch vor Kurzem klagte Google-Mitgründer Sergey Brin über die zunehmenden Einschränkungen im Internet, vor allem durch die Zensur in China. Deshalb hatte der Suchmaschinenkonzern China auch 2010 aufgegeben. Nun steuert die Firmenleitung in San Francisco offenbar um. [1][Google will eine zensierte Suchmaschine für sein mobiles Betriebssystem Android nach Fernost bringen.] Unter dem Namen „Dragonfly“ (Libelle) kursiert das Projekt. Es würde in China gesperrte Websites und Suchanfragen etwa nach Menschenrechten, Demokratie, Religion oder friedlichen Protesten aussortieren.
Die Idee kam intern nicht gut an: Die zensierte Suchmaschine werfe „dringende moralische und ethische Fragen auf“, heißt es in einem Schreiben, das über 1.000 Mitarbeiter an die Konzernführung richteten. Die Angestellten erinnern an die Ethikregeln, die die Gründer einst Google gegeben hatten. Offiziell gelten sie auch heute noch: Google werde keine Dienste anbieten, die zur Verletzung von Menschenrechten führten. Die Mitarbeiter forderten auch mehr Transparenz der Planungen.
Zuvor hatten bereits Menschenrechtsorganisationen protestiert. Amnesty International sprach von einem „schweren Angriff auf die Informationsfreiheit“. China ist das Land mit den weltweit meisten Internetnutzern, rund einer Milliarde Menschen. Es ist jedoch auch das Land, das am rigidesten gegen für das Regime unliebsame Inhalte vorgeht.
Chinesische Webangebote unterliegen allesamt der Zensur – und funktionieren innerhalb der Staatsgrenzen reibungslos. Doch Websites aus dem Ausland, die sich den Vorschriften nicht unterwerfen, sind in China schwer zugänglich oder komplett blockiert, etwa die auf Chinesisch erscheinenden Nachrichtenseiten der New York Times.
Auch andere soziale Medien sind gesperrt
Soziale Medien wie Facebook, Twitter oder YouTube sind bereits seit Sommer 2009 gesperrt. Kurz zuvor war es in der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang zu Unruhen gekommen. Die muslimischen Uiguren hatten sich dabei per Facebook organisiert. Peking erkannte bald nicht nur den politischen Nutzen der Sperrungen, sondern auch den ökonomischen.
Rasch entwickelten sich nämlich chinesische Pendants zu Facebook und Twitter: Weibo und WeChat zählen heute mehr Nutzer als ihre US-Originale. Google trat dann den Rückzug aus der Volksrepublik an, nachdem die Führung den US-Konzern zuvor zur „Kooperation“ aufgefordert hatte. Nur ein kleines Büro blieb in Peking erhalten. Es betreibt den Maildienst Gmail, der nur teilweise zugänglich ist.
Offenbar hat Google seine Strategie nun überdacht: Seit Frühling 2017 entwickelt ein Team das Comeback der Suchmaschine in der Volksrepublik.
Facebook versucht Ähnliches: Auch Gründer Mark Zuckerberg ist seit Jahren am chinesischen Markt interessiert und hofiert Peking regelmäßig. Bislang ohne Erfolg, die Facebook-Sperre in China besteht weiter. Googles Anbiederung an China könnte ihren Preis haben. Nun erwägt auch das US-Militär, seine Kooperation mit dem Suchmaschinengiganten aufzugeben. Die Gefahr von Interessenkonflikten sei zu groß, hieß es aus dem Pentagon.
17 Aug 2018
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Heiko Maas reist nach China und will auch die Lage der Uiguren zur Sprache bringen. Deren Menschenrechtslage ist bedenklich.
Die neuen Apple-Smartphones dürfen in China keine elektronische SIM-Karte haben. Das hilft dem Überwachungsstaat.
Es war eine Überraschung, dass das kritische Stück „Volksfeind“ überhaupt in China gezeigt werden soll. Nach einem Eklat endet die Reise jedoch vorzeitig.
Dem Journalistik-Studenten David Missal wurde das Visum verkürzt. Zuvor hatte er einen Film über einen Menschenrechtsanwalt gedreht.
Google ist in China geblockt, weil es sich zumindest bisher nicht selbst zensieren wollte. Eine neue Suchmaschine könnte das ändern – und wird jetzt schon kritisiert.
Peking will die letzten Lücken zur Außenwelt schließen und verbietet VPN-Tunnelzugänge. Mit ihnen konnte die Zensur bislang umgangen werden.
Facebook hat eine Software entwickelt, die politisch unliebsame Inhalte unterdrücken kann. Kann es so auf den chinesischen Markt zurückkehren?