taz.de -- Ausgewiesener Student: David Missal muss China verlassen

Dem Journalistik-Studenten David Missal wurde das Visum verkürzt. Zuvor hatte er einen Film über einen Menschenrechtsanwalt gedreht.
Bild: Gerade war David Missal noch in Peking, jetzt ist er wieder in Osnabrück

Berlin taz | David Missal hätte auch einen Film über chinesisches Porzellan drehen können, wie die meisten seiner Kommilitonen. Stattdessen porträtierte der 24-Jährige, der seit einem Jahr Journalismus an der Pekinger Tsinghua-Universität studiert, den Menschenrechtsanwalt Lin Qilei. Er begleitete ihn zu Treffen mit inhaftierten DissidentInnen und filmte während seiner Recherche ein Gefängnis von außen.

Das brachte Polizisten dazu, ihn für Stunden auf einer Wache zu befragen – dann konnte er wieder gehen. Doch kurze Zeit später entschieden chinesische Behörden, sein Studentenvisum zu verkürzen. Eigentlich wollte Missal drei Jahre in Peking studieren, doch Anfang letzter Woche musste Missal zurück nach Hause, nach Osnabrück – zwei Jahre vor Ende seines Studiums.

Die Institutsleitung habe ihm vorab mehrfach gesagt, dass sie nicht glücklich mit seinem Projekt sei. Von der Recherche abgehalten haben sie ihn nicht. „Mir war klar, dass das Thema sensibel ist und ich aufpassen muss, aber dass mir das Visum entzogen wird, hätte ich nicht gedacht“, sagt Missal gegenüber der taz.

Missal, der Sinologie in Berlin studierte und seine Bachelorarbeit über Chinas Steuerreform schrieb, wollte sich in dem Filmseminar auch mal mit den „nicht so positiven“ Aspekten des Landes befassen. Herausgekommen ist der [1][zehnminütiger Filmessay „Lawyer Lin“], dessen Klickzahlen auf YouTube in den letzten Tagen von zwei- auf fünfstellig angewachsen sind. Ein kleiner Trost dafür, dass Missal möglicherweise nie wieder nach China einreisen darf. Dabei ist sein gesamter akademischer Werdegang ein Versuch, die Volksrepublik besser zu verstehen.

Sich als Deutscher für das Journalismusstudium ausgerechnet ein Land auszusuchen, das auf der Rangliste der Pressefreiheit laut Reporter ohne Grenzen Platz 176 von 180 belegt, ist bezeichnend. Obwohl er das als ausländischer Student nicht muss, belegte er „Marxistische Journalismustheorie“, ein Seminar „auf Parteilinie“, das für chinesische Studenten Pflicht ist. „Ich wollte durch den Master herausfinden, ob die Journalistenausbildung komplett anders ist oder ob es auch Parallelen gibt zu westlichen Ländern“, sagt Missal.

Die Antwort hat er jetzt. Doch für Missal steht fest: „Ich würde den Film wieder drehen.“ Er hofft trotzdem, irgendwann wieder einreisen zu dürfen. Wo er sein Studium fortsetzt, weiß er noch nicht genau. Vielleicht Berlin. „Vielleicht aber auch Hongkong oder Taiwan.“

19 Aug 2018

LINKS

[1] https://www.youtube.com/watch?v=FKIzE1oNF-Y

AUTOREN

Leonie Gubela

TAGS

China
Journalismus
Visum
Studium
China
Friedensnobelpreis

ARTIKEL ZUM THEMA

Google in China: Protest gegen die Selbst-Zensur

Google will zurück auf den chinesischen Markt – und ist dafür bereit, sich der Zensur zu unterwerfen. Nun hagelt es Protest von über 1.000 Mitarbeitern.

Reaktionen auf Friedensnobelpreis in China: „Das macht allen Mut“

Trotz Zensurbemühungen weiß in China jeder, dass der Dissident Liu Xiaobo den Friedensnobelpreis erhalten hat. Die Reaktionen: Glückwünsche, Karikaturen und Partys.