taz.de -- Neues Gesetz in Ungarn: Hilfe für Flüchtlinge jetzt strafbar
„Beihilfe zur illegalen Migration“ ist nun in Ungarn ein Verbrechen. Was genau sich hinter dem Begriff verbirgt, ist nicht so klar. Wohl aber, was Orban erreichen will.
Budapest dpa | In Ungarn steigt der Druck auf Zivilorganisationen, die Flüchtlingen helfen. Mit den Stimmen der rechtsnationalen Regierungsmehrheit und der rechtsradikalen Jobbik-Partei verabschiedete das Budapester Parlament am Mittwoch ein Gesetz, das strafrechtliche Konsequenzen für „Beihilfe zur illegalen Migration“ vorsieht. Die im Gesetz enthaltene Änderung des Strafgesetzbuchs sieht für Zuwiderhandelnde Arreststrafen sowie im Wiederholungsfall Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr vor.
Flüchtlingshelfern kann künftig auch der Zutritt zu einem acht Kilometer breiten Streifen entlang der Schengen-Außengrenze Ungarns untersagt werden. Das Gesetzespaket, das auch als „STOP-Soros-Paket“ bezeichnet wird, fügt sich in [1][die Politik von Ministerpräsident Viktor Orban] ein, Nichtregierungsorganisationen (NGO) die Arbeit zu erschweren.
Die Bezeichnung [2][„STOP Soros“] spielt auf den [3][liberalen US-Milliardär George Soros] an, der weltweit NGO unterstützt, darunter auch solche, die Flüchtlingen mit Sachspenden, Informationen und Rechtsbeistand helfen. Bereits seit dem Vorjahr gilt ein Gesetz, das allen NGO, die jährlich mehr als 23 000 Euro Förderung aus dem Ausland erhalten, vorschreibt, sich in Publikationen und Internet-Auftritten als „vom Ausland unterstützte Organisation“ zu bezeichnen.
Das am Mittwoch beschlossene Gesetz kriminalisiert NGO-Mitarbeiter und Aktivisten, die solchen Menschen Zugang zu einem Asylverfahren verschaffen wollen, die in ihrem Herkunftsland oder irgendeinem Land auf ihrem Weg nach Ungarn keiner Verfolgung ausgesetzt sind. Insbesondere macht sich in diesem Zusammenhang strafbar, wer „Informationsmaterialien anfertigt, verbreitet oder in Auftrag gibt“ und wer diesbezüglich „ein Netzwerk aufbaut oder betreibt“.
Auch CDU protestierte gegen Strafsteuer
Bereits der Entwurf des Gesetzes war im In- und Ausland kritisiert worden. „Wie kann man von jemandem noch vor Durchführung eines Asylverfahrens wissen, dass er nicht schutzberechtigt ist?“, meinte der Budapester Völkerrechtler Boldizsar Nagy. Jemanden zu betrafen, weil er jemandem den Zugang zu einem Asylverfahren ermöglichen will, sei deshalb unsinnig.
Die Venedig-Kommission des Europarates hatte Ungarn noch am Montag dazu aufgefordert, das Gesetz noch nicht am Mittwoch zu beschließen. Das Gremium angesehener Rechtsexperten will am Freitag sein eigenes Gutachten zu dem Gesetz veröffentlichen.
In einer früheren Version des Gesetzesentwurfs war eine Strafsteuer für Flüchtlingshilfe-Organisationen in Höhe von 25 Prozent auf ihre aus dem Ausland erhaltenen Förderungen vorgesehen. Diese Bestimmung verschwand nach internationaler Kritik, darunter aus der deutschen CDU, aus dem Gesetzestext. Doch wie am Dienstag bekannt wurde, ist die NGO-Strafsteuer nun Bestandteil einer Steuergesetznovelle, die demnächst beschlossen wird.
21 Jun 2018
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