taz.de -- Gastkommentar Soros-Stiftung in Berlin: Diese Ohrfeige hat Orbán verdient

Von der Hauptstadt der Illiberalität in die Hochburg der kreativen Elite: Der Umzug der Open Society Foundations schadet Budapest – und nutzt Berlin.
Bild: Bye, bye, Budapest

Es wird in Deutschland viel debattiert, wie allgegenwärtig Antisemitismus geworden sei, dass Fremdenhass zunehme und demokratische Institutionen gefährdet seien. Und wir seufzen in Ungarn: Eure Probleme hätten wir so gern.

George Soros überlebte als ungarischer Jude die Terrorherrschaft deutscher und einheimischer Nazis in der Nähe von Budapest. Er kehrte vier Jahrzehnte später nach Ungarn zurück, um mitzuhelfen, den Kommunismus zu besiegen. Er wollte eine neue Elite erziehen, die sich gen Westen orientiert. Der Milliardär stiftete Kopiermaschinen, um die Alleinherrschaft der kommunistischen Medien zu brechen.

Dann wurde es still um die Stiftung, sie legte den Namen des Gründers ab, nannte sich Open Society Foundations (OSF) und konzentrierte sich auf die Dritte Welt. Epidemien in Afrika, Drogenabhängigkeit in Zentralasien wurden bekämpft, Chancengleichheit in Südamerika wurde gefördert.

Es war Orbán, der die Stiftung wieder in die ungarische Debatte zurückholte. Er brauchte einen Gegner, gegen den er sich als Anti-Establishment ausweisen konnte. Soros’Stiftung wurde verleumdet, um die Wahlen zu gewinnen.

Nach Orbáns Wahlsieg ist es konsequent von Soros, [1][Ungarn den Rücken zu kehren] – je dramatischer es aussieht, desto besser. Dabei bleibt der Umzug ohne Folgen für die hiesigen NGOs. Die ungarische Zivilgesellschaft bekommt weiterhin die Unterstützung, nur die Hilfe für Afrika oder die Förderprogramme für die bulgarische Roma-Minderheit werden nun aus Berlin geleitet.

Folgen hat das Ganze vor allem für die beiden Städte. Die eine bekommt hochqualifizierte Fachkräfte, die für eine bessere Welt arbeiten, die andere verliert sie. Die eine Stadt baut ihre Position als freier und kreativer Treffpunkt einer neuen internationalen Elite aus, die andere droht endgültig zu einer Hauptstadt des Illiberalismus zu mutieren. Berlin ist zum Zufluchtsort geworden – nur so lässt sich dies in beiden Städten verstehen.

15 May 2018

LINKS

[1] /Nach-massiven-Kampagnen/!5506205

AUTOREN

Gergely Márton

TAGS

George Soros
Soros-Stiftung
Berlin
Budapest
Michelle Obama
Gender Studies
Ungarn
George Soros
Viktor Orbán
George Soros
Ungarn

ARTIKEL ZUM THEMA

Sprengsätze an Clintons und Obamas: Secret Service fängt Pakete ab

Kurz vor den Kongresswahlen werden Pakete mit möglichen Sprengsätzen Clintons und Obamas geschickt, das CNN-Büro geräumt. Was steckt dahinter?

Ungarn verbietet Gender Studies: Aus Angst um den Mann

Die ungarische Regierung verbietet die Gender Studies – angeblich, weil deren Absolventen nicht gebraucht würden.

Neues Gesetz in Ungarn: Hilfe für Flüchtlinge jetzt strafbar

„Beihilfe zur illegalen Migration“ ist nun in Ungarn ein Verbrechen. Was genau sich hinter dem Begriff verbirgt, ist nicht so klar. Wohl aber, was Orban erreichen will.

Nach massiven Kampagnen: Soros-Stiftung verlässt Ungarn

Wegen zunehmenden politischen Drucks zieht sich die Open Society Foundation von George Soros aus Ungarn zurück. Das Büro wird nach Berlin verlegt.

Pressefreiheit in Ungarn: Viktor Orbáns schwarze Liste

Die staatsnahe Presse veröffentlicht eine Liste unliebsamer Journalisten. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Ungarn auf Platz 73.

Soros-Stiftung will Ungarn verlassen: Umzug von Budapest nach Berlin

Die Stiftung des US-Milliardärs Soros wird wohl ihr Büro in Budapest aufgeben und will stattdessen eine Filiale in Berlin eröffnen. Der Umzug sei für den Sommer geplant.

Milliardär George Soros: Orbáns Feindbild

Er ist für Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán seit Jahren die Zielscheibe politischer Angriffe: George Soros. Seit Orbáns Wiederwahl eskaliert die Situation.