taz.de -- Nationalpark im ehemaligen Farc-Gebiet: Kolumbien schützt riesiges Waldgebiet

Der Nationalpark Serranía del Chiribiquete ist nun größer als die Niederlande. Doch es fehlt Geld, um ihn gegen Holzfäller zu verteidigen.
Bild: Der große Nationalpark ist Jaguaren eine Heimat. Der Kollege auf dem Foto lebt allerdings in Brasilien

Die indigenen Völker nennen die Gegend „Das Ufer der Welt“. Nun ist das Schutzgebiet Serranía de Chiribiquete im Süden Kolumbiens zu einem riesigen Tropenwald-Nationalpark ausgedehnt worden. Mit 4,2 Millionen Hektar ist er größer als die Niederlande. Am Wochenende war die einzigartige, von Tafelbergen geprägte Landschaft schon von der UN-Kulturorganisation Unesco in die Liste des Weltnaturerbes aufgenommen worden.

Der Nationalpark habe einen „Signalcharakter für die kolumbianische Umwelt- und Klimapolitik“, sagte Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos. „Die Bäume in Chiribiquete speichern mehr als 450 Millionen Tonnen CO2“, sagte Santos gegenüber der kolumbianischen Wochenzeitung Semana. Zudem wies er darauf hin, dass erst der Friedensprozess mit der Farc-Guerilla es möglich gemacht habe, das seit 1989 geschützte Areal um 1,5 Millionen Hektar zu erweitern. Zuvor war das Gebiet unter Kontrolle der Farc. Mit dem Friedensschluss vom November 2016 ist das vorbei.

In dem Gebiet leben Dutzende endemische Arten, die also nur hier vorkommen. Seitdem wieder Wissenschaftler in der Region Zugang in die Gegend haben, können sie die außergewöhnliche biologische Vielfalt erforschen. Der Nationalpark liegt am Übergang zwischen den Anden, dem Amazonas und der Orinoco-Savanne und gilt als Hoffnungsschimmer für das Überleben zahlreicher gefährdeter Arten wie dem rosa Flussdelfin, dem Tapir, dem Jaguar sowie zahlreicher Papageien- und Schmetterlingsarten. Auch der Mono Churuco, eine nur in Kolumbien vorkommende Menschenaffenart, ist in dem Park heimisch.

Es sind aber nicht nur die beeindruckende Landschaft mit den grünen Tafelbergen und die Artenvielfalt, die den Park so besonders machen, sondern auch die prähistorischen Felszeichnungen, die teilweise mehr als 20.000 Jahre alt sind. Die annähernd 75.000 Wandmalereien, die die mythologische Bedeutung der Region als „Ufer der Welt“ belegen, zählen zu den ersten Zeugnissen menschlicher Existenz in der Amazonasregion und sind bisher ebenfalls noch nicht umfassend erforscht.

All das macht Serranía de Chiribiquete zum „größten Naturwunder Kolumbiens“, wie die Tageszeitung El Tiempo titelte. Bei der kolumbianischen WWF-Direktorin Mary Lou Higgins weckt es große Hoffnungen: Gemeinsam mit anderen Parks soll es zu einer „grünen Barriere gegen die Abholzung“ werden. Ob dieser Wunsch jedoch in Erfüllung gehen wird, steht in den Sternen.

Dem Ziel entgegen stehen Holzfäller und Landspekulanten, die seit dem Friedensschluss mit der Farc-Guerilla in die Region drängen und immer größere Flächen roden. Das geht unter anderem aus dem kürzlich veröffentlichten Waldbericht des World Resources Institute (WRI) hervor. Die Regierung schaut dabei meist untätig zu. Davon konnte sich auch Präsident Juan Manuel Santos überzeugen, als er die Region mit Journalisten überflog und seinen Umweltminister im Anschluss zum Rapport bat. Die kolumbianischen Nationalparks verfügen meist nicht über genügend Mittel für Monitoring und ihren Schutz. Zudem sind in direkter Nachbarschaft des Parks gleich mehrere Bergbau-Konzessionen vergeben worden.

3 Jul 2018

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Knut Henkel

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