taz.de -- Kommentar Katholikentag in Münster: Streitet euch!
Das Motto des diesjährigen Katholikentags ist „Suche Frieden“. Es sind die zu loben, die mehr wollen als den eigenen Frieden zu finden.
Ohne Zweifel, im Jahr 2018 wird mit Religion wieder Politik gemacht. In Berlin trugen kürzlich Tausende [1][aus Solidarität mit jüdischen Bürger*innen] Kippa, in Bayern nagelt die CSU [2][Kreuze als Symbole kultureller Identität] an die Wand. Die AfD stellt sich auch im Bundestag als Bewahrerin christlich-abendländischer Werte dar und selbst ernannte [3][„Lebensschützer“ geißeln Schwangerschaftsabbrüche] pauschal als „Mord“ an Gottes Schöpfung.
Wenn sich ab heute Zehntausende Katholik*innen unter dem Motto „Suche Frieden“ zum 101. Katholikentag in Münster treffen, werden diese Themen jedoch offiziell eine untergeordnete Rolle spielen. Denn die Katholische Kirche mischt sich nicht gerne ein in die irdene Politik – daran hat sich trotz aller Reformbemühungen nicht viel geändert. Selbst [4][die 68er] – so erfolgreich sie die damaligen Autoritäten in Frage stellten – bissen sich an der lebensfernen Amtskirche die Zähne aus.
Bischöfe in Lateinamerika forderten mehr Einsatz für die Armen und Unterdrückten – im Vatikan schalt man sie Marxisten. In Deutschland verlangten feministische Theolog*innen die Öffnung der Priesterweihe für Frauen und eine neue Sexualmoral – der Papst konterte mit der „Pillen-Enzyklika“.
Viele, die sich damals enttäuscht von der Kirche abwandten, engagieren sich 50 Jahre später immer noch – dank Papst Franziskus sogar mit einer gewissen Hoffnung – für deren Öffnung. Es sind Gruppen wie die „Kirche von unten“, die in Münster die unbequemen Fragen stellen: Tut die Kirche genug gegen sexualisierte Gewalt? Behandeln unsere Würdenträger wirklich alle Menschen gleich?
Und: Müssen sich Christ*innen nicht beherzter gegen Fremdenfeindlichkeit einsetzen – anstatt die AfD erstmalig auf einen Katholikentag einzuladen? Neben dem offiziellen Programm ist so ein „Katholikentag plus“ entstanden – mit mutigen Veranstaltungen und überfälligen Diskussionen.
Es sind die zu loben, die als Katholiken mehr wollen als nur den eigenen Frieden finden. Und die auf dem Katholikentag in Münster den Fremdenfeinden, den Dogmatikern und den selbst ernannten „Lebensschützern“ die Stirn bieten. In diesem Sinn: fruchtbarer Streit!
9 May 2018
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