taz.de -- Kommentar Mahnmal Breitscheidplatz: Kein Riss. Eine Narbe
Die Lesart des Terrormahnmals als Riss spaltet. Eine Narbe verheilt, auch wenn sie schmerzt.
Nun ist es da: das [1][Mahnmal, das auf dem Breitscheidplatz] an die furchtbare Tat des Terroristen Anis Amri erinnern soll – und an die zwölf Menschen, die er dabei aus dem Leben riss. Als Riss wird die sich über den Boden ziehende Erinnerungslinie oft bezeichnet, ganz offiziell auch auf der Internetseite der Stadt Berlin.
Doch das Bild ist kein gutes: Zu nahe liegt die Idee von dem Riss, der durch eine Gesellschaft geht, die nun auch schon häufig in Berichten über das Mahnmal Verwendung findet. Und schnell zu der Frage führt, zwischen wem er denn besteht, dieser „Riss“ in der Gesellschaft? Welche Teile wurden hier auseinandergerissen? Etwa Muslime und solche, die es nicht sind?
Das träfe nicht die Realität. Unzählige Male haben auch Muslime gegen den Terror auf dem Breitscheidplatz und anderswo demonstriert – auf den vielen Kundgebungen der BerlinerInnen ebenso wie mit eigenen Mahnwachen. Der Terror trifft sie wie jeden anderen Bürger und jede andere Bürgerin – vielleicht mehr, denn ihre Religion, ihr Glaube wird dafür missbraucht.
Treffender ist deshalb das Bild einer Narbe, die etwas wieder verbindet, was eine Verletzung erlitten hat. Die vielleicht nie ganz verschwindet, manchmal schmerzt, aber dennoch keine dauerhafte Trennung zwischen zwei Seiten bedeutet, sondern eine Wunde, die wieder zusammenwachsen, also heilen kann.
25 Dec 2017
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