taz.de -- AfD-Politiker muss sich outen: Kein Mieter wie jeder andere

Das Göttinger Amtsgericht gibt einer Vermieterin im Streit mit einem AfD-Politiker Recht. Der hätte seine Identität offenlegen müssen.
Bild: Die AfD ist vielerorts nicht willkommen. Das Amtsgericht Göttingen nimmt das jetzt ernst

Hamburg taz | Für Lars Steinke, den niedersächsischen Landesvorsitzenden der Jungen Alternative, ist es ein „Skandalurteil“. Für Alexander Schneehain, den Anwalt seiner nun ehemaligen Vermieterin in Göttingen, ist es einerseits eine schlichte Mietrechtsangelegenheit. Aber die Genugtuung darüber, dass ein abgefilmter Facebook-Eintrag des AfD-Nachwuchspolitikers das Göttinger Amtsgericht zumindest mit überzeugt hat, ist ihm deutlich anzumerken.

In dem Film hatte Steinke geäußert, dass die Gegner der AfD sie durch die Straßen jagen und ihre Wohnungen niederbrennen könnten – und damit nach Ansicht des Gerichts gezeigt, dass er kein Mieter sei wie jeder andere. Und dass daher das Vorgehen beim Anmieten der Wohnung „arglistige Täuschung“ gewesen sei.

Denn unterzeichnet hat den Mietvertrag nicht Lars Steinke, sondern sein Vater. In dem Mietvertrag ist zwar festgeschrieben, dass der Vater seinem Sohn die Wohnung dauerhaft überlässt, dessen Name taucht jedoch nicht auf. Lars Steinke war zwar bei der Wohnungsbesichtigung anwesend, doch die war bevor er einen solchen Bekanntheitsgrad erlangte, dass die Vermieterin ihn hätte erkennen können, sagt Schneehain.

Steinke ist selbst in der eigenen Partei wegen seiner Nähe zu rechtsextremen Figuren und Organisationen, etwa der Identitären Bewegung Österreichs, umstritten. Trotz eines Parteiausschlussverfahrens, das der Kreisverband Göttingen angestrengt hat, stellte man ihn aber als Kandidaten für drei Kreistagswahlen auf.

Für die linksautonome Szene Göttingens ist er so etwas wie ein Lieblingsfeind: Als Steinke Mahnwachen der „Volksbewegung“, jener äußerst rechten Gruppierung, die bis Mai 2017 unter dem Namen „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ bekannt war, gegen die deutsche Flüchtlingspolitik organisierte, ketteten sich linke AktivistInnen am Tor der Studentenverbindung fest, in der Steinke damals wohnte. Sie wollten so seine Teilnahme an der Mahnwache verhindern.

Im Schriftsatz, den Schneehain für die Vermieterin aufgesetzt hat, sind weitere Aktionen aufgelistet: Steinke wurde niedergeschlagen, das Haus, in dem er zuletzt wohnte, mit dem Graffiti „Steinke, du Nazi, wir kommen wieder“ besprüht, davor wurden bengalische Feuer entzündet und über Megafon Drohungen ausgesprochen.

Im Urteil des Amtsgerichts heißt es nun, dass „ein potenzieller Mieter gegenüber einer potenziellen Vermieterin nicht seine politische Auffassung offenbaren muss“. Aber: Für einen potenziellen Vermieter kann jedoch der Umstand, dass der potenzielle Mieter „Anziehungspunkt für linksgerichtete Gewalt“ ist, so bedeutsam sein, dass darüber „bei Vertragsschluss aufgeklärt werden muss“.

Lars Steinke kommentiert das in seiner Pressemitteilung auf Facebook als politisches Urteil: „Somit wird die politische Zugehörigkeit zu einem Kündigungsgrund von Mietverträgen“. Anwalt Schneehain weist das zurück: Schon im vorangegangenen Mediationsverfahren habe die Richterin immer wieder betont, dass es nicht um die Parteizugehörigkeit Steinkes gehe. Letzten Endes gehe es nicht einmal um die Kündigung eines Mietvertrags, sondern um die erfolgreiche Anfechtung eines unzulässig abgeschlossenen.

Für den Anwalt ist die Rechtsprechung nicht neu: Das Landgericht Magdeburg habe ähnlich entschieden, als es einem Vermieter recht gab, der sich durch einen Mieter getäuscht sah, der nicht angekündigt hatte, Mode des umstrittenen Thor-Steinar-Labels zu verkaufen.

Der Sprecher des Göttinger Amtsgerichts, Stefan Scherrer, will in dem Urteil auf jeden Fall keinen Präzedenzfall sehen: „Es ist immer ein Einzelfall, der beurteilt wird.“ Es gehe bei der Entscheidung nicht um ein Verschulden des Vermieters an den Attacken auf ihn, sondern um die Sorge der Vermieterin um das Mietobjekt. Steinke hat bereits angekündigt, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

7 Nov 2017

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Friederike Gräff

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