taz.de -- Sperrung des Online-Portals „Qantara.de“: Zunehmend hysterisch
Ägyptens Regierung sperrt den Zugriff auf das Onlineportal „Qantara.de“. Damit wird eine Brücke zwischen den Kulturkreisen eingerissen.
Berlin taz | Qantara ist das arabische Wort für Brücke. Das [1][gleichnamige Onlineportal Qantara.de] versucht mit seiner Berichterstattung auf Deutsch, Englisch und Arabisch bereits seit 14 Jahren den Dialog mit der islamischen Welt zu fördern, Wissensdefizite zu minimieren und Vorurteile zu bekämpfen. Sprich, eine Brücke zur islamischen Welt zu bauen.
Diese Brücke wurde nun eingerissen, zumindest die zu den ägyptischen Usern des Portals. Am vergangenen Donnerstag sperrte die ägyptische Regierung die Seite im eigenen Land.
Das von der Deutschen Welle verantwortete und vom Auswärtigen Amt finanzierte Portal ist jedoch bei Weitem nicht das einzige, das von der Zensur des ägyptischen Regimes betroffen ist. Seit Mai dieses Jahres wurden bereits 130 Internetseiten gesperrt, die aus Sicht der ägyptischen Sicherheitsbehörden zu kritisch sind. Darunter fallen auch Al-Dschasira, die arabische Version der Huffington Post, die Seite von „Reporter ohne Grenzen“ und das unabhängige Portal Mada Masr.
Loay Mudhoon, Redaktionsleiter von Qantara.de, sagte der taz im Interview, dass diese Entwicklung schon seit geraumer Zeit zu beobachten sei: „In den ersten zwei Jahren hat sich das Regime von al-Sisi auf die TV Sender und die Massenmedien konzentriert und jetzt sind quasi die Onlinemedien an der Reihe.“
Für Qantara.de ist das ein harter Schlag. Die meisten User des arabischsprachigen Angebots kamen aus Ägypten. „Fast jeder dritte ,“ so Mudhoon.
Machthaber bereitet Präsidentschaftswahl vor
Der Menschenrechtler und Direktor des „Arabic Network for Human Rights Information“, Gamal Eid, beschrieb das Vorgehen der ägyptischen Sicherheitsbehörden gegen kritische Medien als „zunehmend hysterisch“. Mudhoon bestätigt diese Einschätzung und begründet das Verhalten des ägyptischen Regimes mit den Vorbereitungen zu den anstehenden Wahlen: „Man muss bedenken, wie al-Sisi an die Macht kam vor knapp drei Jahren.“
Der General und Politiker Abdel Fatah al-Sisi führte 2013 den Militärputsch gegen die Regierung von Präsident Mursi an. Daraufhin wurde er 2014 zum Präsidenten Ägyptens. Laut Mudhoon hat er damals durch die Diffamierung und Dämonisierung der Muslimbruderschaft eine breite Unterstützung im Land erlangt. Jetzt, nach drei Jahren, merkten die Menschen in Ägypten jedoch, wie planlos und gewalttätig das Regime tatsächlich sei.
Mudhoon: „Meine Erklärung ist, dass das Regime einfach Angst und Panik hat, nicht wiedergewählt zu werden, und jetzt versucht, die möglichen Informationsangebote, die die Menschen aufklären, stillzulegen.“
In Ägypten sitzen über 100.000 Menschen im Gefängnis. Unter ihnen viele politische Gefangene, von denen die meisten wegen ihrer linken, nicht etwa islamistischen Einstellung gefangen gehalten werden. Die kategorische Zensur aller kritischen Medien ist somit nur ein Teil der generellen Bewegung des Landes hin zu einem totalitären Regime.
21 Aug 2017
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Kairo gilt als weltweit gefährlichste Metropole für Frauen. Eine junge Ägypterin hat eine App erfunden, um bei sexuellen Übergriffen zu helfen.
Homosexualität ist in Ägypten nicht verboten. Doch gewisse Fahnen gehen den Behörden zu weit. Nach einem Konzert wurden 31 Personen verhaftet.
Der älteste Verlag der Welt, Cambridge University Press, erfüllt Zensurwünsche der chinesischen Regierung – und rudert dann zurück.
Dem Israel-Büro von al-Dschasira droht die Schließung. Premier Benjamin Netanjahu wirft dem TV-Sender Hetze in der Tempelberg-Krise vor.
Ein Mann schwamm an den Strand einer Hotelanlage, dann griff er die Gäste an. Vier Personen erlitten Verletzungen. Das Motiv der Attacke ist noch unklar.
In Hurghada griff ein Mann mit einem Messer Touristen an und tötete zwei von ihnen, möglicherweise Deutsche. In der Nähe von Kairo wurden fünf Polizisten getötet.
Die Golfstaaten und Ägypten haben überraschend ihre Beziehungen zu Katar abgebrochen. Saudi-Arabien will auch die Grenze zum Nachbarstaat dichtmachen.
Immer wieder werden Christen in Ägypten zum Ziel von Attentaten. Erst im April starben bei einem Doppelanschlag mehr als 45 Menschen.