taz.de -- Sanktionen gegen Nordkorea: Regime will knallhart zurückschlagen
Die Bilanz der Sanktionen gegen das nordkoreanische Atomprogramm ist ernüchternd. Ihr Erfolg ist zweifelhaft und Pjöngjang bleibt hart.
Seoul taz | Fast unisono wurden am Wochenende die [1][jüngsten Sanktionen] des UN-Sicherheitsrates gegen Nordkorea gelobt, selbst Russland und China stimmten in den Chorus mit ein. Dass sich Kim Jong Un nun gezwungen sieht, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, hat sich spätestens am Dienstag als Wunschdenken herausgestellt. Wenig überraschend nämlich reagierte Pjöngjang auf die Strafmaßnahmen wie eine in die Ecke gedrängte Raubkatze.
Unter keinerlei Umständen werde man über das Atomprogramm verhandeln, machte Nordkoreas Außenminister Ri Yong Ho während einer Asean-Konferenz in Manila deutlich. „Wie Wolfsrudel kommen sie an, um unsere Nation zu erwürgen“, hieß es am Dienstag in einer Stellungnahme der staatlichen Agentur KCNA. Man werde „gnadenlos zurückschlagen“, „sich tausendfach rächen“ und „die gesamte nationale Stärke mobilisieren“. Die Bilanz des UN-Sanktionsreigens, der nun in seine achte Runde und ins elfte Jahr geht, ist ernüchternd: Bislang gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass der wirtschaftliche Druck irgendeinen positiven Effekt hat auf den Konflikt hat.
Dabei zählt der Beschluss des Sicherheitsrats vom Wochenende mit zum radikalsten, die je gegen ein Land verhängt wurden: Die Sanktionen verbieten jedem Mitgliedsstaat den Import von Kohle, Eisen, Erz, Blei und Meeresfrüchte aus Nordkorea. Zudem dürfen keine zusätzlichen nordkoreanischen Arbeitsmigranten beschäftigt oder Joint Ventures mit nordkoreanischen Firmen betrieben werden.
Insgesamt soll das Regime rund eine Milliarde Dollar im Jahr weniger erwirtschaften, ein Drittel seiner Exporte. Wahrscheinlich wird auch China, das 90 Prozent des nordkoreanischen Außenhandels abwickelt, bei den Sanktionen mitziehen. Nicht zuletzt weil US-Präsident Donald Trump sekundäre Sanktionen gegen chinesische Unternehmen und Banken angedroht hat, sollten diese mit Nordkorea weiterhin Geschäfte machen.
Not treibt Nordkoreaner in die Arme des Staates
Nur ist all dies beileibe kein Grund zur Freude: Tatsächlich nämlich stärken die Sanktionen zumindest kurzfristig das nordkoreanische Regime. Wer den Waren- und Geldfluss stoppt, treibt die Leute zunächst in die Arme des Staates, der vor allem nach politischer Loyalität über [2][Wohl und Leid seiner Bevölkerung] entscheidet.
Zudem wird der Einfluss von Auslandsdevisen auf das nordkoreanische Atomprogramm weit überschätzt: Das meiste Know-how haben sich die Ingenieure und Chemiker des Landes bereits angeeignet, nur wenige technische Einzelteile müssen aus dem Ausland eingekauft werden. Anders ist auch der rasante technische Fortschritt nicht zu erklären, der trotz immer strengerer Sanktionen weiter an Fahrt aufnimmt.
Mit den [3][jüngsten Tests zweier Interkontinentalraketen] hat Pjöngjang zum ersten Mal bewiesen, dass es Teile des amerikanischen Festlandes ins Visier nehmen kann. In Südkorea fordern konservative Politiker schon, dass die US-Verbündeten erneut Atomraketen auf südkoreanischen Boden stationieren. Auch Japan könnte seine Militärauflagen nach dem Zweiten Weltkrieg neu aushandeln. Am Dienstag bezeichnete die Regierung in Tokio Nordkoreas Atomprogramm als „unmittelbares Problem“.
Nicht zuletzt sorgen die USA selbst immer wieder für Panik in der Region: Vor einer Woche versicherte die republikanische Senatorin Lindsay Graham, dass ein militärischer Erstschlag gegen Nordkorea eine Option bliebe. „Bevor Leute sterben müssen, werden sie es dort tun und nicht bei uns, er hat mir das ins Gesicht gesagt“, sagte Graham in Anspielung auf ein vertrauliches Gespräch mit Trump. Im Großraum Seoul, dessen 25 Millionen Bewohner in direkter Reichweite der nordkoreanischen Artillerie leben, landen solche Aussagen stets auf den Titelseiten der Tageszeitungen.
8 Aug 2017
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