taz.de -- Insektenschwund in Deutschland: Ackerhummel dringend gesucht

Deutsche Umwelt- und Naturschutzverbände warnen vor Insektensterben. Man ist sich aber uneins darüber, wie groß das Problem tatsächlich ist.
Bild: Ist sie das, die gesuchte Hummel?

Berlin taz | Ob Ackerhummel, Blaugrüne Mosaikjungfer oder Heidelibelle – Umwelt- und Naturschutzverbände, auch das Bundesamt für Naturschutz, warnen vor einem Insektensterben in Deutschland. Doch darüber, wie groß das Problem ist, ob die Zahl der Insekten vielleicht gar nicht zurückgeht, ist nun ein Streit entbrannt.

Während Umweltverbände sowie der amtliche Naturschutz in Deutschland, etwa das Bundesamt für Naturschutz, vor sinkenden Zahlen an Arten und Individuen warnen, zweifelt der Deutsche Bauernverband (DBV) den Insektenschwund an. „Es gibt leider keine repräsentativen Untersuchungen oder belastbaren Studien über Umfang und Ausmaß von Veränderungen des Insektenbestandes“, teilte er kürzlich in einer Presseerklärung mit.

Der Verband kritisiert: Den Landwirten werde es nicht zuletzt durch bürokratische Hindernisse schwergemacht, die Verhältnisse für die Insekten durch Blühstreifen und artenreiche Feldränder zu verbessern. Die Potenziale im Greening würden derzeit durch komplizierte Antrags- und Kontrollverfahren ausgebremst, so die Kritik des Verbands.

Der Naturschutzbund Nabu widerspricht. Man könne festhalten: „Dort, wo geforscht wird, sind eindeutige Trends des Insektenrückgangs erkennbar“, schreibt der Verband in einem Report. Dass die Forschung zu Insekten weiter intensiviert werden müsse, sei jedoch ebenso eindeutig. „Der Nabu fordert deshalb die Einrichtung eines längerfristigen Insektenmonitorings auf Bundesebene und EU-weit sowie den Ausbau der taxonomischen Forschung.“

Gleichzeitig ruft der Nabu gemeinsam mit der Website [1][naturgucker.de] die Bevölkerung auf zum sommerlichen Insektenzählen. „Wir haben vor allem häufige Arten ausgewählt“, sagt Helge May vom Nabu, der das Projekt betreut. Zum einen könnten so viele Interessierte mitmachen. Zum anderen sei es wichtig, gerade die Tierarten wieder mehr in den Fokus des Naturschutzes zu rücken, die aktuell noch nicht selten seien.

„Jahrelang haben wir uns auf Tiere wie Adler oder Kraniche konzentriert“, sagt May. Zwar sei es gut und wichtig, dass deren Bestände sich erholten. „Doch zugleich sind in den vergangenen 30 Jahren 420 Millionen Vogelindividuen aus Europa verschwunden“, so May. Für die Ökosysteme sei dieser Verlust bedeutsam.

8 Aug 2017

LINKS

[1] http://naturgucker.de/natur.dll/$/

AUTOREN

Heike Holdinghausen

TAGS

Artenvielfalt
Insekten
Bundesamt für Naturschutz
Naturschutz
Nabu
Bauernverband
Insekten
Biodiversität
Insekten
Schwerpunkt taz Leipzig
Insekten
Bienensterben
Landwirtschaft
Insekten
Mücken

ARTIKEL ZUM THEMA

Fotoausstellung „Nachtschwärmer“: Die bizarre Welt der Insekten

Dem Wissenschaftsfotografen Bernhard Schurian gelingt etwas Fantastisches: Die Abbildung winziger Insekten auf großen Fotos – und alles super scharf.

Artenschwund und Fächersterben: Wissenschaftliche Sorgenkinder

Der Artenschwund und das Verschwinden von Lehrstühlen, die sich mit der biologischen Vielfalt beschäftigen, gehen Hand in Hand.

Studie zu Artensterben: Insektenschwund belegt

Die Zahl der Tiere ist seit 1989 sogar in Schutzgebieten um 76 Prozent gesunken, so eine Studie. Eine Ursache könnte die intensive Landwirtschaft sein.

Biologe über Regenwürmer: „Schlaraffenland mit ganz viel Torte“

In Deutschland geliebt, in Amerika gefürchtet. Biologe Nico Eisenhauer erforscht die Invasion des Regenwurms in die Wälder Nordamerikas.

Entomologe im Interview: „Die Artenvielfalt steigt seit Jahren“

Von den einen zu viel, von den anderen zu wenig? Insektenkundler Jens Esser über Massen hungriger Mücken und das befürchtete Insektensterben.

Omega-3 gegen Artensterben: Bienen bekommen ihr Fett weg

Israelische Forscher sagen, Omega-3-Fettsäuren lassen die Insekten besser lernen und erhöhen die Abwehrkräfte. Ein Mittel gegen das Bienensterben?

Jahresbilanz des Nabu: Naturschutzbund disst Regierung

Artensterben nicht gestoppt. Klimaschutz? Fehlanzeige. Der Nabu ist unzufrieden mit der Großen Koalition. Sein Rat: Grüne in die Regierung.

Die Wahrheit: Sekten und Insekten

Unter den Krabblern und Flatterern geht derzeit die Luftpost ab. Die Natur ist auch nicht mehr das, was sie mal war.

Mücken als Krankheitsüberträger: Ssssss-sss. Ssssssssss

Ein leises Sirren kündigt Unheil an. Wie gefährlich aber unsere Mücken wirklich sind, wird am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg untersucht.