taz.de -- Kommentar Abgasskandal und Politik: Technoclubs statt Daimler
Die deutschen Autobauer lügen und lügen und lügen. Da hilft kein sanfter Druck à la Kretschmann mehr, wie zuletzt der Kartellverdacht zeigt.
Winfried Kretschmanns Glaube an die Vernunft, die sich unweigerlich der Überlegenheit des Ökologischen unterwerfen wird, ist unerschöpflich. So unerschöpflich, dass es naiv wird. Der laut Wahlzettel grüne baden-württembergische Ministerpräsident lässt sich von der Autoindustrie verarschen.
Daimler lügt seit Jahren, wie viele deutsche Autobauer, im Diesel-Skandal und [1][nach neuesten Erkenntnissen untereinander in einem illegalen Kartell abgesprochen]. Ihre Karren verpesten die Luft, obwohl die Technik, es besser zu machen, sogar schon eingebaut ist. Durch Stickoxide sterben Menschen. Autobauer sind in diesem Sinne Mörder: Sie handeln mit Vorsatz und aus einem niederen Motiv – Profit.
Daimler hat nun die Staatsanwaltschaft am Hals und angekündigt, drei Millionen Autos mit einem Softwareupdate zu versehen, um den Ausstoß an giftigen Stickoxiden zu verringern. Es war eine Reaktion darauf, dass Baden-Württemberg mit Diesel-Fahrverboten gedroht hat. Schon jetzt lächeln unabhängige Experten über die Updates. Die Schadstoffgrenzwerte werden, wie schon bei den VW-Maßnahmen, auch danach noch um ein Vielfaches überschritten werden.
Die Konstante in diesem Skandal ist, dass die Autobauer immer so lange lügen, Journalisten und Umweltverbänden drohen, bis die Beweise ihrer Manipulationen so erdrückend sind wie eine S-Klasse für einen Teichmolch. Dann geben sie mal was zu.
Klagen und empfindliche Strafen
Kretschmann aber glaubt immer noch an das Ehrliche im Automanager und daran, dass die versprochenen Nachrüstungen wirken. Er zog die Fahrverbote diese Woche zurück, weil CSU-Horrorclown und -Verkehrsminister Alexander Dobrindt sagte, das gehe so nicht. Dabei wären selbst die Verbote noch zu zaghaft.
Es braucht staatliche Klagen gegen Autobauer, Strafen in Milliardenhöhe – und zwar als Verhandlungsmasse, um Entschädigungen für alle betrogenen KäuferInnen zu erstreiten. Kein Entgegenkommen. Es geht nicht um Genugtuung oder Rache, sondern um die Tatsache, dass nur knallharter Druck die Autobauer zur Räson bringt.
Aber Kretschmann gibt den nächsten Hampelmann, der das Gefasel von gefährdeten Arbeitsplätzen nachplappert. Was hier gefährdet ist, sind Menschen. Was die Industrie bedroht, ist ihre Dummheit, auf die falsche Technik zu setzen. Aber, from Berlin with love an alle Stuttgarter: In Industrieruinen lassen sich tolle Technoclubs und Start-ups ansiedeln.
23 Jul 2017
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
EU-Kommission und Bundeskartellamt hatten offenbar schon 2014 Hinweise auf Absprachen. Volkswagen verteidigt diese unterdessen als „weltweit üblich“.
Egal wie wütend wir auf die Autobauer sind, ihnen drohen keine schlimmen Strafen. Denn brechen sie zusammen, ist unser Wohlstand in Gefahr.
Laut Insidern soll Daimler seine Selbstanzeige „deutlich früher“ bei den Behörden eingereicht haben als VW. Der Autobauer könnte somit ohne Strafe davonkommen.
Das Bundeskartellamt hätte Hinweise auf Absprachen in der Autoindustrie haben müssen. Dass die Politik nichts wusste, ist unplausibel.
Selbstanzeige bei Daimler, Krisensitzung bei VW, Druck auf Dobrindt: Die Folgen der mutmaßlichen Absprachen der Autokonzerne sind noch längst nicht abzusehen.
Laut einem Bericht sollen sich mehrere Konzerne heimlich abgesprochen haben. Der Abgasskandal könnte damit eine neue Facette bekommen.
Zehntausende Autos ließ Daimler bereits umbauen, um den Schadstoffausstoß zu verringern. Nun sollen es mehr als drei Millionen Fahrzeuge werden.
Ohne festes Zulassungsende von Verbrennungsmotoren in der EU wird es nicht gehen. Und ein politischer Kuschelkurs freut nur die Autoindustrie.
Trotz des offensichtlichen Betrugs der Autoindustrie: Die Verantwortlichen in Bund und Ländern scheuen Fahrverbote für schmutzige Diesel.