taz.de -- Terrence Malicks neuer Film: Liebe ist nie ein Luxusproblem

Malicks Film „Song to Song“ spielt in Austins Musikszene, statt um Songs geht es aber um Sehnsucht nach authentischer Nähe und Zuneigung.
Bild: Die Figuren in Malicks „Song to Song“ wollen alles füreinander aufgeben

Im Kino werden ja oft die eigenen Träume von anderen durcheinandergebracht. Bei [1][Terrence Malick] zweifellos. In seinem neuen Film „Song to Song“ geht es an einer Stelle zum Beispiel darum, wie sich die Vögel für immer verändern, wenn man sie sich einmal zusammen mit einem geliebten Menschen angesehen hat. Wichtig ist bei ihm ein platonischer Sinn für Liebe, der über das Individuum hinausgeht.

„There’s nowhere we can hide, except in each other“: So sagte es schon ein Soldat in einem der früheren Filme Malicks, dem Antikriegsfilm „Der schmale Grat“ (1998). Beieinander Zuflucht suchen, das heißt da Überleben. Die Dringlichkeit ist klar, der Film plausibel in seinem Hang zur Transzendenz. Seine jüngeren Filme „[2][To the Wonder]“ (2012) und „[3][Knight of Cups]“ (2015) wurden vielleicht deshalb immer wieder attackiert, weil ihnen eine Balance von Form und Szenario fehlte. Einige warfen ihnen Redundanz vor.

„Song to Song“ spielt nun in einer intakten Gegenwart: der Musikszene in Austin. Dort geht es den Leuten eher gut, alle verknallen sich. Malick umkreist in seinem sprunghaften und hoch beweglichen Film Menschen, die sich nahekommen, erforscht deren Sehnsucht nach authentischer Nähe und inniger Zuneigung.

Einmal fragt Ryan Gosling in seiner Rolle als junger, idealistischer Musiker seine frühere Liebe, ob sie alles aufgeben würde, um ihm jetzt hinterherzureisen. In ihrem Pelz steht sie neben ihm auf der Terrasse ihres Hauses und bejaht das, ohne zu zögern. Dass sie nur wegen ihm alles wegwerfen will, macht sie indes auch nicht interessant für den Freigeist. Eines macht der Film, der einem ein wärmendes Gefühl gibt, aber deutlich: Liebe ist nie ein Luxusproblem.

Liebe sagen, als ob man es meint

Die Euphorie dieser Leute – wenn sie gemeinsam über die Leinwand tollen und Michael Fassbender als narzisstischer Musikproduzent wie ein Affe am Strand herumspringt – wirkt nicht erfunden. Oder? Die Welt will getäuscht werden, sagt Fassbenders Figur später. „Bist du ein guter Lügner?“ Das wird hier zur ethischen Frage, bleibt aber auch eine Sache der feinen Mimik. Was da von Gosling, Fassbender, Natalie Portman und Rooney Mara in teils wunderbar freien Szenen vorgespielt wird, vermischt sich dann auch noch komplizierter mit der Welt. Etwa, wenn Patti Smith und Iggy Pop auftauchen, die sich selbst spielen. Irgendwann, als es gerade romantisch ist, tönt „Say it like you mean it“ aus einem Keyboard, in allen Frequenzen. Brüche und Auslassungen ermöglichen hier Gedanken zum Showbiz, zur Psychologie, zur Erotik.

Brüche wecken aber immer auch Zweifel. Spätestens wenn die Stereotype zu aufdringlich sind. Damit Liebe mehr sein kann als hetero, muss eine exotische Französin her. Und Malick macht es im Grunde nicht anders als sein diabolischer Managertyp: Er stellt Mädchen mit unverbrauchten Gesichtern ein, die sich für eine Sexszene ausziehen sollen (weil die Stars es nicht machen). „9 Songs“ von Winterbottom hat vor Jahren vieles erspürt, was Malick jetzt mit einer dann doch recht prüden Inszenierung neu verklärt.

Malicks neuer Film tanzt und ist geil aufs Leben, scheint aber in einem gleichgeschalteten Wohlstandssumpf zu versinken und wirkt so ziemlich reaktionär. Aber besser als ein Konsensfilm, der es allen recht machen will, ist das allemal.

29 May 2017

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AUTOREN

Dennis Vetter

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