taz.de -- Miniserie „Frauen im Ring“ auf Arte: Immer feste drauf

Vier französische Vorstadt-Frauen kämpfen gegen Arbeitslosigkeit – und im Ring. Auch der Front National kommt ausführlich vor.
Bild: Keine Modenschau, sondern Frauen-Catchen

Der größte lokale Arbeitgeber, eine Dessous-Fabrik, hat dichtgemacht, die Arbeitslosigkeit ist groß, das Geld zu wenig, die Stimmung arg gedrückt – da solidarisieren sich die Textilarbeiterinnen, indem sie sich in knappe Fummel zwängen, ungeachtet der Figur, und Amateur-Turniere im Frauen-Catchen veranstalten …

Der Plot hört sich an wie ein 20 Jahre verspätetes Remake von „Ganz oder gar nicht“. Damals waren es strippende Stahlarbeiter in Sheffield. Die englische Feel-good-Komödie mit den üblichen Attributen – warmherzig, voller sympathischer Figuren et cetera – war ein veritabler Erfolgsfilm. Darniederliegende Industriebranchen gibt es heute in Frankreich kaum weniger als damals in Nordengland.

Und doch sind die Zeiten andere und verlangen vielleicht nach anderen Filmen. Der Dreiteiler „Frauen im Ring“, den Arte am Donnerstag am späten Abend komplett zeigt, verhandelt seinen Gegenstand jedenfalls eher nicht im Feel-good-Modus.

Vor wenigen Monaten erst ist die französische Jugend mit viel Verve gegen eine Liberalisierung des Arbeitsrechts auf die Straßen gegangen – was hierzulande für etwa ebenso viel Kopfschütteln gesorgt hat wie das Erstarken des Front National (FN) unter Marine Le Pen.

Vielleicht helfen ja die „Frauen im Ring“ (Regie: Audrey Estrougo, Buch: Audrey Estrougo, Nathalie Saugeon, Frédéric Duff Barbé), unsere liebsten Nachbarn ein bisschen besser zu verstehen. Anhand der Geschichten von vier Frauen. Und auch der FN kommt ausführlich vor, nur sehr notdürftig getarnt als „National-Partei“.

Putzen. Prostitution. Politik

Nathalie (Marie Denarnaud), einst Designerin der Dessous-Firma, will aus ihrer Not heraus selbst Unternehmerin werden, doch die Bank verweigert ihr den nötigen Kredit. Auf dem Arbeitsamt wird ihr eine Umschulung zur Fleischerin vorgeschlagen: „Da wird auch mit Messer, Schere und Faden gearbeitet.“

„Letzte Nacht dachte ich: Wir sind total verantwortungslos, noch ein drittes Kind zu bekommen, obwohl wir keine Arbeit haben“, sorgt sich indes Selma (Naidra Ayadi), die auch noch ihren gerade aus dem Gefängnis entlassenen Bruder, der aber noch Fußfessel trägt, bei sich aufnehmen muss – während Agathe (Marie-Sohna Condé), die ihre in Afrika zurückgelassene Tochter sechs Jahre lang nicht gesehen hat, sich von ihrem Sohn fragen lassen muss: „Schon wieder nur Nudeln mit Wasser?“

Am dicksten kommt es aber für „Céline“ (Romane Bohringer), die nicht arbeitslos ist, weil sie als Hausfrau noch nie in ihrem Leben gearbeitet hat. Eben noch hat sie, frei von finanziellen Nöten, den Sommerurlaub in Spanien geplant, da fährt ihr Mann das Auto vor die Wand und liegt im Koma. Er hatte ihr so einiges verschwiegen: „Er ist seit drei Jahren arbeitslos! Und seit sechs Monaten ohne Stütze! Es ist nichts mehr auf dem Konto, auf keinem Konto! Alles gesperrt!“

Was tun? Zum Beispiel Putzen. Prostitution. Politik – bei der National-Partei. Oder Catchen. Und damit ist hier kein vorher abgesprochener und sorgfältig choreografierter Schaukampf gemeint. Hier geht es wirklich zur Sache.

Der Schluss von „Frauen im Ring“ hat dann beinahe, aber eben nur beinahe, das Feel-good-Niveau des Endes von „Ganz oder gar nicht“. Zur Erinnerung: Da warfen die Stripper ihre letzte verbliebene Bedeckung, ihre Hüte, ins johlende Publikum. Hier stehen sich zwei der vier Frauen als „Diabolica“ und „Punk Lady“ im Ring gegenüber. Es wird nicht alles gut, aber zumindest einmal noch wird das Gute über das Böse triumphieren …

Und das Böse ist, na? Die Nationalpartei natürlich.

16 Feb 2017

AUTOREN

Jens Müller

TAGS

Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Rassemblement National
Frauen
Arbeitslosigkeit
Lesestück Recherche und Reportage
CETA
Marine Le Pen
Right Trash
Lesestück Meinung und Analyse
Rechtspopulisten
Schwerpunkt Emmanuel Macron

ARTIKEL ZUM THEMA

Neuer Roman „Tierchen unlimited“: Die Pfalz ist cooler

Migrantenliteratur? Punk! Tijan Silas Debüt macht beim Lesen richtig Spaß – genauso wie ein Spaziergang mit ihm durch Kaiserslautern.

Front National und Handelsabkommen: Anti-Ceta-Parolen für den Wahlkampf

Der Front National von Marine Le Pen macht gegen das Ceta-Abkommen mobil. Dabei nutzt die Partei ähnliche Argumente wie die Linke.

Doppelte Staatsbürgerschaft in Frankreich: Blind vor lauter Trump

Marine Le Pen will im Falle eines Wahlsiegs keine doppelten Staatsbürgerschaften aus Nicht-EU-Ländern mehr. Und kaum jemanden interessiert's.

Kolumne Right Trash: Petry – wie einst Audrey Hepburn

Das rechte Magazin „Compact“ huldigt der AfD-Chefin und naiven Antifeministinnen. Die finden: Bei den alten Germanen war alles besser.

Aus Le Monde diplomatique: Die Kandidatenmacher

Fillons Finanzgebaren ist unter den Eliten Frankreichs nicht unüblich. Der Clan, der ihn förderte, ist noch aktiv.

Debatte Rechtspopulismus in Europa: Aus Frankreichs Fehlern lernen

Die Wähler des Front National hat lange niemand ernst genommen – bis es zu spät war. Wie Deutschland es anders machen kann.

Marine Le Pens Wahlkampf-Agenda: „Ich muss nicht einmal gut sein“

Vierzig Prozent der Arbeiter in Frankreich sind für die Kandidatin des Front National. Die anderen Parteien spielen Marine Le Pen in die Hände.