taz.de -- TV-Doku über Durchschnittsort Haßloch: Früher war schön

Ein kleiner pfälzischer Ort bildet Deutschland strukturell genau ab. Kann man dort verstehen, was zur Hölle unser Problem ist?
Bild: Wie viele Löcher der Durschnittsdeutsche jährlich bohrt, ist unklar. Aber Haßloch hat noch das ein oder andere dicke Brett übrig

Haßloch in der Pfalz ist Deutschland in klein: Ein auf 21.000 Einwohner aufgeblasenes Dorf, in dem das Verhältnis von Arm und Reich, Jung und Alt dem deutschen Durchschnitt sehr nahe kommt. Viele neue Produkte werden deshalb in Haßloch getestet. Reporter des ARD-Magazins „Panorama“ sind nun sozusagen zum Demokratietesten nach Haßloch gefahren, denn bei der Landtagswahl 2016 wählten 18,8 Prozent der HaßlocherInnen die AfD.

Wer sich die knapp halbstündige Dokumentation anschaut, wird sie nicht mehr vergessen. Der bleibende Eindruck ist, dass in Durchschnittsdeutschland etwas entscheidend schiefgelaufen ist – und zwar insbesondere bei der (politischen) Bildung. Hört man dem Haßloch, das der Film zeigt, zu, dann sind die Bemühungen sämtlicher Bildungseinrichtungen wie auch die der Medien verpufft: Denn der Haßlocher Horizont ist der eigene Gartenzaun.

Im Film äußert sich das im beharrlichen Schweigen auf die Frage, was die Politik denn besser machen könne; oder – einmal – in der mutigen Feststellung eines älteren Herren, er könne keinen Rat geben, weil er „zu wenig Kenntnis habe“ und sich zu wenig kümmere.

Eine gewisse biedere Wurschtigkeit um die Geschehnisse, die die deutsche Provinz durchaus mal ausgezeichnet hat, ist in der Darstellung der Dokumentation von einer geradezu angstgestörten, passiv-aggressiven Grundstimmung abgelöst worden, die sich in Klagen über Überfremdung ergeht, während in den täglich ausgeleckten Garagen im Hintergrund die Mercedessterne blitzen.

Die reale Gefahr, die das süddeutsche Haßloch umtreiben sollte, wäre dabei wohl eher der Klimawandel als die Flüchtlinge; und die Frage ist schon, ob man in öffentlich-rechtlichen Dokumentationen nicht eher die BürgerInnen zu Wort kommen lassen sollte, die der Zukunft zugewandt sind, als jene, die über ein „früher war schön“ weder geistig noch emotional hinauskommen.

12 Jan 2017

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Ambros Waibel

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