taz.de -- Bundeswehreinsatz in Mali: Auf gut Glück nach Gao
Die UN-Mission in Mali ist die gefährlichste der Welt, in weniger als drei Jahren starben 106 Soldaten. Nun wird sie der größte Einsatz der Bundeswehr.
Berlin taz | Mali wird der größte deutsche Auslandseinsatz. Wie das Bundeskabinett am Mittwoch beschloss, wird die Obergrenze des Bundeswehrkontingents in der UN-Mission in Mali (Minusma) von 650 auf 1.000 angehoben – mehr als die 980 für Afghanistan. Der Bundestag dürfte der Kabinettsvorlage am 26. Januar zustimmen.
Grund für die Aufstockung ist die Entsendung von vier Transporthubschraubern des Typs NH90 und vier Tiger-Kampfhubschraubern zu deren Schutz in die malische Stadt Gao, wo das deutsche UN-Kontingent steht. Die deutschen Hubschrauber ersetzen ab März die aus den Niederlanden; ihr Einsatz ist bis Mitte 2018 befristet.
„Erhöhte logistische Aufwände in Gao, verbunden mit einem stärkeren Personalansatz für den Objektschutz sowie der geplante, zeitlich begrenzte Einsatz der Fähigkeiten Lufttransport inklusive luftgestützter qualifizierter Verwundetenversorgung und Unterstützung aus der Luft, machen bis zu 350 Soldatinnen und Soldaten zusätzlich erforderlich“, heißt es in der Kabinettsvorlage.
Damit verstrickt sich die Bundeswehr potenziell tief in den Krieg gegen radikale Islamisten im unruhigen Nordosten Malis. Die UN-Mission in Mali (Minusma) gilt als die gefährlichste der Welt, bislang starben 106 Soldaten in weniger als drei Jahren. Das Büro der UN-Truppen am Flughafen von Gao wurde erst am 29. November durch einen Anschlag zerstört: Ein Lastwagen mit UN-Aufschrift wurde von den Blauhelmen auf die Basis gelassen und explodierte.
Tuareg und Islamisten
Mali rutschte 2012 in den Bürgerkrieg, als Tuareg-Rebellen, frisch aufgerüstet mit Waffen aus dem zerfallenen Libyen, blitzartig die Kontrolle über die Nordhälfte des Landes übernahmen und ihren eigenen Staat „Azawad“ ausriefen. Die geschlagene Regierungsarmee stürzte in der Hauptstadt Bamako die Regierung.
Radikale Islamisten, die seit dem Bürgerkrieg in Algerien in den 1990er Jahren die Sahelregion unsicher machen, nutzten die Gunst der Stunde und übernahmen die Macht im Rebellengebiet.
Im Januar 2013 landeten Tausende französische Soldaten in Bamako und eroberten innerhalb weniger Wochen den Norden Malis von den Islamisten zurück. Mali bekam wieder eine gewählte Regierung. Aber als die Islamisten im Norden wieder in den Untergrund gedrängt wurden, trat in weiten Landesteilen nicht die Regierung an ihre Stelle, sondern die Tuareg.
2015 schlossen Malis Regierung und Tuareg-Rebellen in Algerien ein Friedensabkommen. Es ist bis heute nur in Ansätzen umgesetzt. Neue bewaffnete Gruppen sind dazugekommen, darunter Anti-Tuareg-Milizen, denen die Regierung zu lasch ist.
Als erster Schritt zur Befriedung ist vereinbart, dass in den Städten des Nordens gemeinsame Militäreinheiten aller Parteien als Ordnungskräfte patrouillieren. In Gao trafen die ersten 525 Kämpfer aller Gruppen aber erst vergangene Woche ein.
Diese Woche soll es mit den „gemischten Patrouillen“ losgehen – theoretisch. Solange das nicht vorankommt, gibt es nur die UN-Blauhelme, um für Sicherheit zu sorgen, wofür sie aber eigentlich nicht das Mandat haben. Weil sie auch französischen Spezialkräften den Rücken freihalten müssen, wenn diese bewaffnete Islamisten in der Wüste jagen, werden sie selbst Anschlagsziele.
Minusma ist eine Mission voller Konstruktionsfehler. Der scheidende UN-Untergeneralsekretär für Blauhelmmissionen, Hervé Ladsous, erklärte diese Woche in einem Interview: „Bewaffnete Gruppen weiten ihren Einflussbereich aus und profitieren davon, dass die politischen Grundfragen nicht geregelt sind.“ Minusma, mahnte er, habe „nie genug Hubschrauber, nie genug Panzerfahrzeuge“.
Die deutschen Soldaten sichern bisher den Flughafen von Gao und liefern Luftaufklärung. Zwei Bundeswehrdrohnen, „Luna“ und „Heron“, funken Bilder aus Gaos Umland direkt nach Deutschland. Die Fotos werden dort ausgewertet und gehen direkt zurück nach Mali, an die UN-Blauhelmsoldaten aus Bangladesch, die außerhalb von Gao Patrouillen und lange Versorgungskonvois durch die Wüste fahren – ideale Anschlagsziele.
Sechs UN-Soldaten aus Bangladesch wurden in Mali bereits getötet. Demnächst können die deutschen Soldaten die Opfer solcher Anschläge einsammeln und ausfliegen. Von einer „Rettungskette mit Hubschraubern“ sprach Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Mali im Dezember.
„Malische Patrioten“
Der UN-Einsatz hat in Mali nicht nur Freunde. Oppositionelle in Bamako werfen der Regierung vor, sich damit zufriedenzugeben, das Land nicht vollständig zu kontrollieren. Vor einer Woche demonstrierte in Bamako eine „Gruppe malischer Patrioten“ mit Transparenten, auf denen stand: „Es lebe Russland, Putin ist die Lösung: Nieder mit der Minusma, nieder mit Frankreich.“
Die Bundeswehr macht in Mali kaum Schlagzeilen. Deutschland hingegen schon: Am Abend des 6. Januar landete in Bamako ein gecharteter Sonderflug mit zwei abgelehnten malischen Asylbewerber aus Deutschland, obwohl es kein Rücknahmeabkommen zwischen beiden Ländern gibt.
Die zwei Malier, Amadou Ba und Mahamadou Dramé, traten vor die Presse. Ba erklärte, er habe 13 Jahre in Deutschland gelebt und sei in Abschiebehaft genommen worden, als er bei der malischen Botschaft seinen Pass verlängern wollte. In Abschiebehaft sei er misshandelt worden, bis er nicht mehr laufen konnte, und habe all seinen Besitz in Deutschland zurücklassen müssen.
Das ist das Deutschlandbild, das jetzt in Bamako ankommt. In der Presseerklärung der Bundeswehr zur Truppenaufstockung steht unter anderem: „Stabiles Mali beugt Migration vor.“
11 Jan 2017
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