taz.de -- Russland und der IStGH: Do swidanija, Den Haag
Das Land verlässt den Internationalen Strafgerichtshof. Als Grund nennt es die Ermittlungen zum Georgien-Krieg. Zuvor traten Südafrika, Burundi und Gambia aus.
Moskau/Berlin afp/taz | Russland wendet sich vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag ab. Die Regierung in Moskau kündigte am Mittwoch an, die Unterschrift unter dem Gründungsstatut des Gerichtshofs zurückzuziehen. Dies geschehe auf Anordnung von Präsident Wladimir Putin, erklärte das Außenministerium.
Zur Begründung hieß es, der Gerichtshof werde den „Hoffnungen der internationalen Gemeinschaft nicht gerecht“. Das Strafgericht habe sich zudem nie zu einer „wirklich unabhängigen“ Institution entwickelt, sondern arbeite „einseitig und ineffizient“. „In 14 Jahren Arbeit hat der IStGH nur vier Urteile gesprochen, bei alldem aber mehr als eine Milliarde Dollar ausgegeben“, so das Außenministerium.
Als Beispiel nannte Moskau den Umgang des Gerichts mit dem Krieg zwischen Russland und Georgien im August 2008. Der fünftägige bewaffnete Konflikt um die von Georgien abtrünnige Region Südossetien kostete rund 1.000 Menschen das Leben, Tausende Georgier wurden vertrieben. Die Region ist international nicht anerkannt. De jure gehört sie weiter zu Georgien, von dem sie jedoch durch eine Grenze getrennt ist.
Im vergangenen Januar eröffnete der IStGH unter seiner Vorsitzenden, der Gambierin Fatou Bensouda, ein Ermittlungsverfahren zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen in Zusammenhang mit dem Südossetien-Konflikt, die beide Seiten begangen haben sollen. Die Ermittlungen, die ersten zu einem Konflikt außerhalb Afrikas, beziehen sich auf den Zeitraum zwischen dem 1. Juli und dem 10. Oktober 2008.
Symbolische Geste der Zurückweisung
Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zur russischen Annexion der Halbinsel Krim sowie dem Konflikt in der Ostukraine mit bislang rund 10.000 Toten wird vom Gericht gerade geprüft. Beide Ereignisse deuteten auf einen bewaffneten internationalen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hin, sagte IStGH-Chefanklägerin Bensouda am Montag. Nach wie vor dementiert Moskau, militärisch in der Ostukraine eingegriffen zu haben.
Russland hatte das Römische Statut zur Gründung des Gerichtshofes im Jahr 2000 unterschrieben, den Vertrag bislang aber nicht ratifiziert – ebenso wie China und die USA. Washington hatte unter George W. Bush seine Unterschrift wieder zurückgezogen.
Die jetzige Entscheidung Russlands sei eine symbolische Geste der Zurückweisung und sage eine Menge über Moskau Verhalten gegenüber der internationalen Justiz aus, sagte Tanja Lokschina von der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. In der Praxis werde das keine allzu großen Auswirkungen haben.
Der IStGH ist derzeit alles andere als in guter Verfassung. Im vergangenen Oktober erklärten Südafrika, Burundi und Gambia ihren Austritt. Die derzeitige Krise dürfte auch eines der Hauptthemen auf der Konferenz der 124 IStGh-Vertragsstaaten sein, die an diesem Mittwoch in Den Haag beginnt.
16 Nov 2016
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Vor zehn Jahren tobte der „Augustkrieg“ zwischen Russland und Georgien – mit dramatischen Folgen für das kleine Kaukasusland.
Zehn Jahre nach dem Krieg um Südossetien versucht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Aufarbeitung. Der Ausgang ist unklar.
Für das Weltstrafgericht war der Rückzug Südafrikas ein schwerer Rückschlag. Jetzt muss ihn die Regierung nach einem Urteil rückgängig machen.
Im Januar soll er die Macht an den Wahlsieger übergeben. Das sieht Gewaltherrscher Yahya Jammeh immer noch nicht ein.
Kulturschätze, die zur Zeit der Annexion der Krim in Amsterdam ausgestellt waren, müssen einem Urteil zufolge in die Ukraine zurück.
Überraschend hat Gambia einen neuen Präsidenten gewählt. Damit bestärkt Gambia den westafrikanischen Trend demokratischer Machtwechsel.
Dauermachthaber Yahya Jammeh hat sich 1994 an die Spitze Gambias geputscht. Seitdem ist er im Amt – und denkt nicht ans Aufhören.
Der Maidan ist ein Synonym für Aufbruch und Europa. Er steht aber auch für das Scheitern gesellschaftlicher Bewegungen.
Schwache werden verurteilt, Starke dürfen abhauen: Nach Russlands Abgang steht der Internationale Strafgerichtshof schlecht da.
Ermittlungen wegen politischer Gewalt soll es nicht geben. Deshalb verweigert Burundi die Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof.
Das internationale Gericht ICC hat über 1.000 Mitarbeiter. 2016 wird sich zeigen, ob es mehr sein kann als ein Tribunal für afrikanische Warlords.
Die Ermittlungen zu dem Vorfall über der Ukraine dauern noch an. Unter dringendem Verdacht stehen prorussische Rebellen.