taz.de -- US-geführte Anti-IS-Koalition in Syrien: Das nächste Ziel heißt Rakka

Die nordirakische Stadt Mossul ist noch nicht erobert, da plant die Anti-IS-Koalition schon ihre nächste Offensive. Und Ursula von der Leyen kritisiert die Türkei.
Bild: Ein Selfie vor Mossul – und bald auch eins vor Rakka? Ein US-Soldat macht Werbung für Apple

PARIS/BEIRUT/BERLIN ap/rtr/dpa | Noch während der laufenden Operation zur Rückeroberung der von der Terrormiliz Islamischer Staat gehaltenen nordirakischen Stadt Mossul bereitet sich die US-geführte Militärkoalition auf den Sturm auf die syrische IS-Hochburg Rakka vor. Dies sagte Pentagonchef Ash Carter am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit seinem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian. Sie hatten vorher an einem Treffen mit elf weiteren Verteidigungsministern der bedeutendsten Partnerstaaten in der Anti-IS-Koalition teilgenommen..

Beim anvisierten Start der Offensive auf Rakka gebe es keine Verzögerung, es werde eine „Überlappung“ mit dem Kampf um Mossul geben. Dies sei von Anfang an der Plan gewesen, sagte Carter weiter.

Mossul und Rakka im Norden Syriens sind die wichtigsten Hochburgen der Terrormiliz, beide Orte gelten als Hauptstädte ihres sogenannten Kalifats. Mit Unterstützung der Anti-IS-Koalition aus der Luft sowie mithilfe von Militärberatern startete das irakische Militär am 16. Oktober einen Vormarsch auf Mossul. Diese Offensive folgt auf erfolgreiche Kampagnen zur Rückeroberung wichtiger Städte in der westirakischen Provinz Anbar, dürfte aber noch Monate dauern.

Ein ranghoher Vertreter der US-geführten Anti-IS-Koalition warnte indes vor gleichzeitigen Großoperationen in Mossul und Rakka. Dies würde das Militärbündnis überfordern, sagte er. Mit der Offensive auf Rakka sollte man lieber warten, bis die Iraker weitere nennenswerte Fortschritte in Mossul erzielt hätten.

Würde man die Operationen in Mossul und Rakka dennoch schon jetzt zeitgleich ausführen, würde dies Kampfjets und Aufklärungsflugzeuge besonders belasten. Derzeit sähen die USA aber keine Notwendigkeit für zusätzliche Truppen in Syrien, sagte der Militär. Dort sind aktuell bis zu 300 amerikanische Spezialkräfte stationiert, die mit Einheiten syrischer Rebellen zusammenarbeiten.

US-Verteidigungsminister Carter zeigte sich in Paris mit Blick auf den gegenwärtigen Stand im Anti-IS-Kampf optimistisch. Er hob vor allem die militärischen Erfolge der irakischen Sicherheitskräfte und der kurdischen Peschmerga-Kämpfer bei ihrem Vorrücken auf Mossul hervor. Auch der Zustrom ausländischer Kämpfer zum IS sei durch die Operation bereits abgeflaut, sagte er.

Allerdings hat die IS-Miliz auf die Geländegewinne ihrer Gegner zuletzt mit Selbstmord- und Autobombenanschlägen und anderen Attacken reagiert. Es wird erwartet, dass der Widerstand der Dschihadisten an den Rändern Mossuls allmählich gebrochen werden kann. Doch dürfte sie wieder umso stärker dagegenhalten, wenn sich die Kämpfe aufs Zentrum der Stadt verlagern.

Amnesty International: kaum Schutz für Zivilisten

Unterdessen übt Amnesty International scharfe Kritik an dem von den USA angeführten Militärbündnis in Syrien. Nach Ansicht der Menschrechtsorganisation hat es im Kampf gegen die Islamistenmiliz IS zu wenig getan, um die Zivilbevölkerung zu schützen.

Der Schaden für Zivilisten werde bei den Einsätzen der Koalition deutlich unterschätzt, sagte Lynn Maalouf vom Büro der Menschenrechtsorganisation in Beirut am Dienstag. Seit September 2014 seien bei elf Angriffen bis zu 300 Zivilisten getötet worden. In jedem dieser Fälle seien nur unzureichende Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen worden. Einige der Angriffe könnten als unverhältnismäßig oder als willkürlich bezeichnet werden.

Das US-Verteidigungsministerium hat erklärt, es werde große Sorgfalt darauf verwandt, den Schaden für Zivilisten möglichst gering zu halten. Nach US-Angaben vom Juli kamen bei Luftangriffen gegen Extremisten-Stellungen im Irak und Syrien zwischen dem 28. Juli 2015 und dem 29. April dieses Jahres 14 Zivilisten ums Leben.

Verteidungsministerin pocht auf Einhaltung der Regeln

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat das Eingreifen der türkischen Armee in die Offensive gegen die irakische IS-Hochburg Mossul kritisiert. Die Anti-IS-Koalition, die sich am Dienstag in Paris ohne Türken und Iraker traf, sei sich einig gewesen, dass die Souveränität anderer Staaten respektiert werden müsse. „Die Regeln der Koalition müssen eingehalten werden“, sagte die Ministerin am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Es sei klar gesagt worden, dass mit der Türkei „unmissverständlich“ geredet werde.

Die Türkei gehört zur Anti-IS-Koalition. Der Irak hat die Regierung in Ankara vehement aufgefordert, sich aus dem Kampf herauszuhalten.

Ein hoher Kommandeur der kurdischen Peschmerga bestätigte Angriffe der türkischen Armee auf IS-Kämpfer im Nordirak. Türkische Artillerie und Panzer hätten den IS in den vergangenen Tagen auf Bitten der Peschmerga an der Frontlinie um den Ort Baschika beschossen, sagte Generalmajor Nureddin Hussein Herki. Die irakische Armee und kurdische Peschmerga-Kämpfer hatten Anfang vergangenen Woche die Mossul-Offensive gegen die Terrormiliz begonnen. Die Türkei fordert eine Rolle bei der Befreiung Mossuls ein.

26 Oct 2016

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