taz.de -- Studie zur Altenpflege: Kosten übersteigen oft Einkommen

Viele Senioren können sich keinen teuren Heimplatz leisten. Doch der Preis für günstige Pflege sind schlecht bezahlte Fachkräfte. Das belegt jetzt ein Studie.
Bild: Wer macht's? In weiten Teilen Deutschlands müssen sich eher die Angehörigen kümmern – weil die Rente nicht für die Pflege reicht

Gütersloh dpa | In weiten Teilen Deutschlands kostet ein Heimplatz mehr als Senioren sich leisten können. Einer am Mittwoch vorgestellten Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge übersteigt der fällige Eigenanteil für den Heimplatz in fast der Hälfte aller Städte und Kreise (44 Prozent) das durchschnittliche Haushaltbudget der über 80-Jährigen – bei großen regionalen Unterschieden.

Rechnerisch reicht die Finanzkraft der Hochbetagten vor allem in Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Teilen von Baden-Württemberg und Bayern nur für eine Versorgung im Heim von maximal zehn Monaten im Jahr.

„Ist das Geld knapp für die Versorgung im Heim hat das zur Folge, dass häufiger Angehörige einspringen oder Pflegebedürftige zusätzliche Sozialleistungen beantragen“, sagt Stefan Etgeton, Projektleiter für die Untersuchung. So mussten 2013 bundesweit 41 Prozent aller Pflegebedürftigen Sozialhilfe beantragen. „Dahinter, dass in manchen Regionen, die Menschen länger zuhause gepflegt werden, steckt also nicht immer eine freie Entscheidung, sondern eben auch häufig ökonomische Notwendigkeit“, stellt der Gesundheitsexperte fest.

Pflegebedürftige im Norden und im Osten müssen sich dagegen weniger um die Finanzierung ihres Heimplatzes sorgen. So reiche die durchschnittliche Finanzkraft der über 80-Jährigen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und den ostdeutschen Flächenländern fast überall mehr als aus.

Drastische Lohnunterschiede beim Pflegepersonal

Dies allerdings geht zu Lasten des Pflegepersonals: Deutliche Lohnunterschiede stecken den Experten zufolge hinter dem auffälligen Gefälle zwischen Nordost und Südwest, wo das Einkommen der Pflegekräfte zum Teil doppelt so hoch sei. 2013 lag die Spanne der Bruttoentgelte in der Pflege zwischen 1714 und 3192 Euro monatlich.

Das schlägt sich in den Heimkosten nieder: Professionelle Pflege kostet je nach Region im Schnitt zwischen 88 Euro im Jerichower Land und Zwickau und 153 Euro pro Tag in Köln und Krefeld. Bislang fehle es der Politik an einer Lösung, wie Altenpflegekräfte leistungsgerecht bezahlt werden, ohne die Pflegebedürftigen und ihre Familien finanziell zu überfordern, beklagt die Bertelsmann-Stiftung.

12 Oct 2016

TAGS

Alten- und Pflegeheime
Senioren
Altersarmut
Pflege
Mieten
Rente
Senioren
Bremen
Arbeit
Familie
Altenpflege

ARTIKEL ZUM THEMA

BGH-Urteil über Kündigungsstreit: 97-Jährige muss wohl nicht umziehen

Der Pfleger einer dementen Frau hatte die Vermieterin beleidigt. Nun hebt der Bundesgerichtshof ein entsprechendes Kündigungsurteil auf.

Rentenreformpläne von Andrea Nahles: „Das ist die 1.000-Dollar-Frage“

Auf dem Sozialstaatskongress der IG Metall in Berlin beschränkte sich Andrea Nahles auf äußerst allgemeine Aussagen über ihre Rentenreformpläne.

Seniorenpolitik in Berlin: „Wow, es lohnt sich“

Alle Berliner über 60 dürfen demnächst wieder ihre Seniorenvertretung wählen. Elke Schilling sitzt in einer und sagt: Widerstand zahlt sich aus.

Sparen in der Pflege: Die Alten sind zu teuer

Die Diakonie will ihren Beschäftigten deutlich weniger Geld zahlen – und verweist auf den Wettbewerb. Laut Gewerkschaft ein „Riesen-Skandal“

Lohndifferenz Frauen- und Männerberufe: Acht Euro weniger im „Frauenjob“

Die Sozialarbeiterin bekommt 16 Euro brutto, der Ingenieur 29 Euro. Einer Studie zufolge ist der Stundenlohn in typischen Frauenjobs acht Euro niedriger.

Dokumentarfilm über Altenpflege: Das wahre Gesicht von Familie

Eine polnische Altenpflegerin in Bochum: „Family Business“ von Christiane Büchner erzählt von sozialer Distinktion und Interkulturalität.

Schweigsame Pflege: Heime sind gegen Transparenz

Um die Altenpflege zu verbessern, will die Gesundheitsbehörde Bewohner und Beschäftigte befragen und das Ergebnis veröffentlichen. Heimbetreiber sind dagegen.