taz.de -- Debatte Finanztransaktionssteuer: Die schlimmste Zockerei beenden
Zehn EU-Länder verhandeln über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Diese dürfte für Spekulanten schwer zu umgehen sein.
Die Banken genießen ein seltsames Privileg: Sie müssen keine Umsatzsteuer zahlen. Jedes Brötchen kostet Mehrwertsteuer, aber auf den Finanzmärkten werden Wertpapiere und Derivate im Wert von Billionen gehandelt – ohne dass bisher ein einziger Cent an Steuern erhoben würde.
Das soll sich ändern. In dieser Woche haben sich zehn europäische Länder geeinigt, dass sie bis zum Dezember eine finale Entscheidung fällen, wie eine Finanztransaktionssteuer aussehen soll. Beteiligt sind Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Österreich, Griechenland, Slowenien, Belgien, Portugal und die Slowakei.
Die endgültigen Steuersätze stehen zwar noch nicht fest, aber wahrscheinlich werden Aktien mit 0,1 Prozent und Derivate mit 0,01 Prozent belastet. Diese Sätze wirken extrem mickrig – und würden dennoch hohe Summen einbringen. Allein Deutschland würde zwischen 18 und 44 Milliarden Euro im Jahr kassieren, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt.
Wann immer es um Geld und Steuern geht, wird gern der Vergleich bemüht, dass „Kapital wie ein scheues Reh“ sei. Es wird suggeriert, dass es sowieso nichts bringen würde, die Reichen und Mächtigen an der Finanzierung des Staates zu beteiligen. Ihr Geld sei immer auf der Flucht, nie zu fassen.
Auch bei der Finanztransaktionssteuer wurde gern behauptet, sie sei leicht zu umgehen. Nach dem Motto: Wenn diese Steuer in Frankfurt gilt, dann wird eben in London spekuliert. Doch die geplante Finanztransaktionssteuer ist gewitzt. Sie sieht ein „Residenzprinzip“ vor.
Der Handel wird also dort besteuert, wo die Bank ihre Zentrale hat. Beispiel Deutsche Bank: Da sie in Deutschland sitzt, müsste sie hier ihre Finanztransaktionssteuern zahlen – ganz unabhängig davon, ob die Wertpapiere und Derivate in New York oder in Singapur umgeschlagen wurden.
Kombiniert wird dieses „Residenzprinzip“ mit dem „Ausgabeprinzip“. Übersetzt: Der Handel mit deutschen Papieren wird in Deutschland besteuert. Wenn die Banken verhindern wollen, dass sie doppelt zahlen, müssen sie ihre Bücher offenlegen. Dies hätte übrigens den wunderbaren Nebeneffekt, dass sich die Transparenz auf den Finanzmärkten deutlich erhöhen würde.
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac jubelte daher: „Unser jahrelanger Einsatz hat sich gelohnt.“ Dies ist nicht übertrieben und auch kein eitles Selbstlob. Es ist ganz wesentlich Attac zu verdanken, dass sich die Finanzlobby nicht komplett durchsetzen und die Steuer torpedieren konnte. Kein Horrorszenario war den Banken und Versicherungen zu platt, um Stimmung gegen die Finanztransaktionssteuer zu machen. Besonders gern wurde der legendäre „Kleinsparer“ bemüht, der nun angeblich um seine hart erworbene Altersvorsorge gebracht würde.
Ende des Hochfrequenzhandels
Auch den Finanzministern, gerade aus den Euro-Krisenstaaten, wurde Angst gemacht: Die Zinsen für Staatskredite würden steigen! Diese Behauptung ist zwar schräg, hat aber trotzdem funktioniert. Der Handel mit Staatsanleihen soll von der Finanztransaktionssteuer ausgenommen werden. Für Deutschland bedeutet dieses Zugeständnis, dass die potenziellen Einnahmen um mindestens 7 Milliarden Euro sinken.
Steuern steuern. Dieser Zwei-Wort-Aphorismus gilt auch für die Finanztransaktionssteuer. Sie würde nicht nur Geld in die Staatskassen spülen, sondern zugleich die Finanzmärkte beruhigen. Der Hochfrequenzhandel, der minimalste Kursdifferenzen ausnutzt, käme zum Erliegen.
So wichtig die neue Steuer wäre – man darf sie nicht überhöhen. Echte Spekulationsblasen könnte sie nämlich nicht verhindern. Sollten Anleger glauben, dass die Aktienkurse stark steigen, dann reicht eine Steuer von 0,1 Prozent nicht aus, um die Zockerei zu beenden. Da helfen nur strikte Regeln für die Banken. Das ist dann der nächste Kampf.
16 Oct 2016
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