taz.de -- Französische Anti-Terror-Gesetze: Notstand ohne Ende
In Reaktion auf den Anschlag von Nizza billigt das Kabinett eine Verlängerung des Ausnahmezustands um drei Monate. Die Behörden erhalten noch weitere Sonderrechte.
Paris dpa | Die französische Regierung hat die nach dem Anschlag von Nizza angekündigte Verlängerung des Ausnahmezustands auf den Weg gebracht. Premierminister Manuel Valls stellte den Gesetzentwurf am Dienstag im Kabinett vor, wie Regierungssprecher Stéphane Le Foll berichtete. Er sieht auch eine Ausweitung der Sonderrechte für die Behörden vor; künftig sollen Polizisten bei Hausdurchsuchungen unter Notstandsrecht auch Computer- und Telefondaten kopieren dürfen.
Die Regierung will den bis zum 26. Juli befristeten Ausnahmezustand um drei weitere Monate verlängern. Justizminister Jean-Jacques Urvoas zeigte sich im Radiosender Europe 1 aber offen für die Forderung der konservativen Opposition, ihn sogar um sechs Monate zu verlängern. Auch Le Foll sagte, eine Einigung sei möglich.
Präsident François Hollande sagte nach Angaben des Sprechers, es werde im Rahmen des Rechtsstaats alles getan, um die Franzosen zu beschützen. Das Parlament muss der Verlängerung noch zustimmen.
Der Ausnahmezustand war nach den Pariser Terroranschlägen [1][vom 13. November verhängt] und seitdem dreimal verlängert worden, zuletzt mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft und das Radrennen Tour de France. Anders als bei der letzten Verlängerung vor zwei Monaten soll diesmal auch wieder die Möglichkeit geschaffen werden, Hausdurchsuchungen ohne Richterbeschluss anzuordnen.
Zweifel am Nutzen
Zudem sollen Ermittler Computer und Telefone der Verdächtigen auswerten dürfen. Dies war zeitweise bereits so vorgesehen, der Verfassungsrat hatte die Möglichkeit im Februar mangels ausreichender rechtlicher Garantien für die Betroffenen aber für ungültig erklärt. Le Foll versicherte, die Anforderungen der Verfassungswächter seien nun erfüllt.
Der Ausnahmezustand ermöglicht auch Hausarreste ohne Richterbeschluss sowie Versammlungsverbote. Bürgerrechtsorganisationen hatten die Sonderrechte wiederholt kritisiert und den Nutzen angezweifelt.
In der Nationalversammlung sollten die Beratungen bereits am Dienstag beginnen, im von der Opposition dominierten Senat steht das Thema am Mittwoch auf der Tagesordnung. Das politische Klima in Frankreich ist angespannt; nach dem erneuten Anschlag wirft die Opposition der Regierung vor, nicht genug gegen den Terror getan zu haben.
Der 31-jährige Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel hatte am französischen Nationalfeiertag einen Lastwagen in eine Menschenmenge in Nizza gelenkt und 84 Menschen getötet. Nach Angaben der Behörden hatte der Mann sich in kurzer Zeit radikalisiert und den Anschlag über mehrere Tage vorbereitet. Die Ermittler fanden Hinweise auf sein „unbestreitbares Interesse“ an der dschihadistischen Bewegung.
19 Jul 2016
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