taz.de -- Arte-Doku über den BND: Bedingt aufklärungsbereit

Wie geht der Bundesnachrichtendienst mit seinen Skandalen um? In „Schattenwelt BND“ äußert sich auch der jüngst abgesetzte Chef der Behörde.
Bild: Schön, so ein neues Büro in Berlin-Mitte

Er ist der sechste Sinn der Bundesregierung und hat gründlich versagt: Illegale Überwachung der Kommunikationswege in aller Welt, Spionage dann doch auch unter Freunden und die ein oder andere Falschinformation, die schon einmal wie im Irak einen Krieg ausgelöst hat. Skandale allerorten, und trotzdem steht merkwürdigerweise eine ganz andere Frage im Raum: War der Bundesnachrichtendienst (BND) – anders als sein Image – nicht auf dem Weg zu einer verzagten und vergreisten Verwaltungsbehörde?

So jedenfalls sieht es auch heute noch der jüngst aus dem Amt beförderte BND-Chef Gerhard Schindler. 2013, kurz nach seiner Amtseinführung, gab der Verwaltungsjurist als Parole gegen den bürokratischen Stillstand unter den Geheimen aus: „No risk, no fun.“ Im Kanzleramt, der Aufsichtsbehörde, gingen die Augenbrauen in die Höhe.

Aber Schindler bleibt sich treu. In der Arte-Dokumentation „Schattenwelt BND – Wie viel Geheimdienst braucht Deutschland?“ (20.15 Uhr) fordert er auch nach seiner überraschenden Versetzung in den Ruhestand weiter: „Den Mut haben, neue Wege zu gehen.“ Die Frage ist nur, welche Wege?

Der BND, das ist eine riesige Geheimbehörde, ein Dienst, der überwiegend im Verborgenen operiert. Rund 6.000 Mitarbeiter, viele davon mit falschen Identitäten, immer auf der Suche nach fremden Staatsgeheimnissen. Mal mit menschlichen Quellen, also Verbindungsleuten, Agenten und sonstigen Zuträgern. Zumeist aber schöpft der Dienst seine Erkenntnisse aus der Überwachung der internationalen Fernmeldeverkehre, dafür ist die Abteilung „Technische Aufklärung“ im bayerischen Pullach zuständig. Auftraggeber ist das Kanzleramt.

Liefern soll der Nachrichtendienst: Wie kämpft der sogenannte Islamische Staat? Was sind Putins Pläne? Was kommt als Nächstes auf Deutschland zu? Wollen die Kurden einen eigenen Staat? Und seit dem vergangenen Wochenende dürfte mit Priorität dazugekommen sein: Was macht Erdoğan, was wird nach dem gescheiterten Putsch aus der Türkei?

9/11 und Edward Snowden

Die Dokumentation zeichnet nach, wie zwei Megaereignisse nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Welt der Geheimdienstler auf den Kopf gestellt haben: die Anschläge vom 11. September 2001 und die Veröffentlichungen des Whistleblowers Edward Snowden. Ein Abhörskandal jagt seither den anderen.

Die deutschen Agenten haben ihren US-Kollegen von der NSA geholfen, Firmen in Deutschland auszuspähen, sie haben Hillary Clinton und Kofi Annan abgehört und sogar vor deutschen Diplomaten nicht haltgemacht. Und seit 9/11 scheint im Kampf gegen den islamistischen Terror jedes Mittel recht. US-Geheimdienste haben Islamisten verschleppt und gefoltert.

Die „Anything goes“-Mentalität vieler westlicher Geheimdienste hat auch auf den BND abgefärbt, beobachtet etwa der Journalist und Welt-Herausgeber Stefan Aust im Arte-Programmheft.

Kamen Infos zum US-Anti-Terror-Krieg vom BND?

Bis heute steht ein besonders schwerer Vorwurf im Raum: Informationen, die ursprünglich von BND-Agenten geliefert wurden, werden im Anti-Terror-Krieg von US-Diensten genutzt, um Menschen zu liquidieren – etwa durch Drohnenangriffe in Nordafrika oder im Mittleren Osten. Der BND und seine Kontrolleure aus dem Bundeskanzleramt bestreiten das, eine objektive Kontrolle gibt es nicht.

Die Ablösung Schindlers, das legen die beiden Autoren Rainald Becker, Chefredakteur der ARD, und der Dokumentarfilmer Christian Schulz, plausibel nahe, wurde von den Bundesministern Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen sowie vom Chef des Kanzleramtes, Peter Altmaier, betrieben. Die drei hätten befürchtet, der BND könne unter Schindler „zu transparent“ und in seinen Möglichkeiten zu sehr beschränkt werden. Man darf also gespannt sein, welche neuen Wege der BND beschreiten wird.

19 Jul 2016

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Wolfgang Gast

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