taz.de -- Kommentar BND-Kontroll-Gesetz: Mehr regeln, mehr verwirren
Nach all den Spionageaffären will die Regierung ihre Agenten besser kontrollieren – sagt sie. Bitte was? Dreimal gelacht.
Viele Jahre lief das beim Bundesnachrichtendienst (BND) so: Es gab ein Spielbrett, Hütchen, Würfel und kaum Regeln. Jeder würfelte so oft er wollte, ganz nach Belieben. Wer öfter würfelte, konnte mehr Gegner ausschalten.
Dann kam im Zuge der Snowden-Enthüllungen heraus, dass Deutschlands Auslandsgeheimdienst im Auftrag der NSA europäische Institutionen, Spitzenpolitiker und Firmen überwachte. Da konnten sie im Bundeskanzleramt, das den BND ja kontrollieren sollte, nicht mehr anders, als ein paar neue Bestimmungen zu erfinden. Das hätte alles so schön enden können, wie in der Welt von Ravensburg, wo es ja schließlich auch für jedes Spiel echte Regeln gibt: Welcher Spieler mit welcher Farbe spielt, ist bekannt. Jeder würfelt nur einmal. Ab und zu fliegt jemand raus, aber alles streng nach Vorschrift: Mensch, ärgere dich nicht.
Klare Regeln für Deutschlands Spione? Nein, so endete es nicht. Und doch, genau so endete es nun.
Denn es kam, wie es kommt, wenn findige Juristen mehr Kontrolle über einen Bereich versprechen, der lieber nicht so sehr kontrolliert werden soll: Sie erfanden für [1][das neue BND-Gesetz, das am Freitag erstmals im Bundestag diskutiert wurde], neue Regeln, die ab 2017 gelten sollen. Ihr Kniff: Was einst nicht geregelt war, wird nun erlaubt. So steht zwar sinngemäß im Gesetz, dass keine europäischen Partner abgehört werden sollen. Aber das geht eben doch, um etwa „die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu wahren“. Also: fast immer.
Und um bloß nicht vom Parlament kontrolliert zu werden, erfand die Regierung einfach ein paar Aufpasser mehr. Künftig sollen neben Kanzleramt, G-10-Kommission und Parlamentarischem Kontrollgremium noch mehr Institutionen mitkontrollieren: eine neue unabhängige Kommission und noch ein paar Richter vom Bundesgerichtshof. Klingt gut, aber bedeutet: Alle dürfen ein bisschen gucken, aber bloß niemand richtig.
Auch dafür gibt es in der Brettspielwelt eine Entsprechung: „Hexentanz“. Der Reiz des Spiels: Alle müssen nach gleichen Regeln spielen. Die Farbe der Hütchen sieht allerdings niemand. Du würfelst, ziehst, schmeißt raus – aber bis zum Ende weiß keiner, wer gewonnen hat. So ist das bald auch wieder beim BND.
8 Jul 2016
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Bei der demokratischen Kontrolle über deutsche Nachrichtendienste ist noch viel zu tun. Das zeigt ein Vergleich mit anderen Ländern.
Wie geht der Bundesnachrichtendienst mit seinen Skandalen um? In „Schattenwelt BND“ äußert sich auch der jüngst abgesetzte Chef der Behörde.
Das parlamentarische Kontrollgremium sieht eine erhebliche Überschreitung der Befungnisse. Die Regierung verweist auf bereits eingeleitete Reformschritte.
Die Regierung will den BND mit einem neuen Gesetz besser durch das Parlament kontrollieren lassen. Linke und Grüne haben starke Zweifel an der Wirksamkeit.
Der neue BND-Präsident tritt an: Bruno Kahl, ein Schäuble-Vertrauter. Die Erwartungen an ihn sind enorm. Der Dienst steckt in einer Großreform.
Der Bundesnachrichtendienst soll im Ausland besser schnüffeln dürfen. Das Kabinett will die Rechtsgrundlage für die Datenüberwachung schaffen.
Der Zeitpunkt ist überraschend, der Rausschmiss nicht, Gründe gibt es genug. Nur geht es bei Schindlers Demission nicht um die NSA-Affäre.