taz.de -- Neuer BND-Chef: Der Geforderte

Der neue BND-Präsident tritt an: Bruno Kahl, ein Schäuble-Vertrauter. Die Erwartungen an ihn sind enorm. Der Dienst steckt in einer Großreform.
Bild: Bisher, ganz amtsgemäß, verschwiegen: Bruno Kahl

Bruno Kahl macht sich derzeit unsichtbar. Öffentliche Termine nimmt er nicht wahr, Interviewanfragen blockt er ab. Auch seine Verabschiedung aus dem Bundesfinanzministerium feiert der 53-Jährige nur im internen Kreis.

Diskretion also kann Kahl schon gut. Ab Freitag wird er dafür umso mehr ins Rampenlicht treten: Dann wird er Präsident des Bundesnachrichtendienstes. Den Mittwoch darauf folgt seine öffentliche Amtseinführung im Kanzleramt.

Im April war Noch-Amtsinhaber Gerhard Schindler von der Regierung geschasst worden. Sein Nachfolger muss nun einen Auslandsgeheimdienst führen, der sich im größten Umbruch seiner Geschichte befindet.

Ein Pflock wurde bereits am Dienstag eingeschlagen: Da beschloss das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur BND-Reform. Nach den Turbulenzen der NSA-Affäre wird nun erstmals die Auslandsüberwachung des Dienstes gesetzlich geregelt, die Kontrolle des BND verstärkt. Allerdings: Ausnahmen bleiben bestehen.

Der Neue hält sich bedeckt

Kahl darf diese neuen Vorgaben nun austarieren. Er selbst hält sich zu seinen Plänen bisher bedeckt. Im BND selbst hat er sich noch nicht präsentiert. Als Kanzleramtschef Peter Altmaier im April Kahl vorstellte, lud er nur zu einem Hintergrundgespräch. Keine Zitate, keine Details erlaubt. Der Neue lieferte dafür aber auch kaum Material: Er schwieg vornehmlich.

Das passt. Denn auch bisher arbeitete der Jurist – gebürtiger Essener, CDU-Mann und verwitweter Vater zweier Töchter – stets im Hintergrund. Und fast immer treu an der Seite des CDU-Granden Wolfgang Schäuble. Schon 1996, als Schäuble noch Fraktionschef der Union im Bundestag war, arbeitete ihm Kahl als Referent zu. Später folgte er ihm ins Innenministerium, leitete dort Schäubles Büro.

Als dieser 2010 ins Finanzministerium wechselte, ging auch Kahl mit. Zuletzt war er dort einer von neun Abteilungsleitern, zuständig für Privatisierungen. Als Schäuble seinen 70. feierte, war einer der Herausgeber für dessen Festschrift „Der fröhliche Sisyphos“: Bruno Kahl.

Mit dessen Wechsel auf den BND-Posten will Schäuble dennoch nichts zu tun haben. Es sei die Idee Altmaiers gewesen – Kahl aber habe er „so positiv beurteilt, wie meine Erfahrungen mit ihm sind“. Dennoch: Ein Verdacht bleibt. Hatte Schäuble doch gegen eine allzu strenge BND-Reform interveniert.

Weiter Rätselraten über den Wechsel

Bis heute grübeln selbst Unions-Sicherheitspolitiker über den Wechsel. Vorgänger Schindler wollte keinesfalls freiwillig gehen, mit der Reform hatte er sich abgefunden. Und die NSA-Affäre, die auch den BND erfasste, hatte ihren Zenit überschritten. Offenbar aber wollte das Kanzleramt mit der jetzigen BND-Reform, die sich über mehrere Jahre ziehen wird, auch einen personellen Neuanfang – und einen jüngeren, weniger eigensinnigen Präsidenten als den 63-jährigen FDP-Mann Schindler, der noch mit dem Spruch „No risk, no fun“ antrat.

Den wird es bekommen. Markige Sprüche wird man von Kahl eher nicht hören. Als Generalist wird er beschrieben, sehr fleißig, juristisch exzellent, durch seine Zeit im Innenministerium mit den Geheimdiensten vertraut. Und: als absolut loyal.

Zu hören ist nur, dass Kahl wohl die von Schindler begonnene „Transparenzoffensive“ fortführen will. Mehrere BND-Standorte legten ihre Tarnnamen wie „Ionosphäreninstitut“ ab, die meisten der rund 6.000 Mitarbeiter sollen künftig auf Decknamen verzichten.

Das freilich wird nicht reichen. Die Enthüllungen des NSA-Whistleblowers Edward Snowden rissen auch den deutschen Dienst mit. Sie legten offen, wie sich der BND einspannen ließ, europäische Verbündete auszuforschen. Sachbearbeiter winkten dies durch, die Hausspitze blieb uninformiert. Das Kanzleramt warf dem Dienst „organisatorische Mängel“ vor, bis heute läuft ein Untersuchungsausschuss im Bundestag.

„Kurswechsel ist überfällig“

Und international kämpft der BND mit Großaufgaben: die unklare Rolle Russlands, der destabilisierte Nahe Osten, die Terrorgefahr, allen voran durch den IS. Gut 200 neue Stellen bekommt der Dienst dafür, die Cyberüberwachung wird für 300 Millionen Euro aufgerüstet. Als eine der ersten Amtshandlungen will das Kanzleramt mit Kahl das „Auftragsprofil“ des BND überarbeiten, das die Spähziele festlegt.

Die Erwartungen an Kahl sind hoch. Bei aller Modernisierung dürfe die Aufklärungsarbeit des Auslandsdienstes nicht leiden, warnt Stephan Mayer, Innenexperte der Union. Einen „überfälligen Kurswechsel“ fordert dagegen der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. „Wir brauchen eine klare Abkehr von Verfahren der Massenüberwachung.“ Der BND habe sich in rechtlichen Grauzonen bewegt, „teils deutlich darüber hinaus“.

Auch in der mitregierenden SPD wird gemahnt. Kahls wichtigste Aufgabe werde sein, Strukturen aufzubauen, die ein „Eigenleben nach dem Motto ‚Nicht einmal der BND weiß, was der BND macht‘“ unterbinden, sagt deren Innenexperte Burkhard Lischka. Die Linken-Innenpolitikerin Martina Renner hält die Bezeichnung „Eigenleben“ noch für „beschönigt“. „Die Abhöraktivitäten des BND mit der NSA haben viele Befürchtungen deutlich übertroffen.“ Auch das neue BND-Gesetz ändere da nicht viel, offenbar sei Kahl nur für eine „geräuschlose Repräsentation“ vorgesehen.

Kurshalten oder Neustart? Dazwischen nun muss Kahl seinen Weg finden. Und nebenbei noch eine andere Mammutaufgabe stemmen: den Umzug des BND vom bayrischen Pullach nach Berlin. Der ist bereits jetzt mehrere Jahre in Verzug.

29 Jun 2016

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Konrad Litschko

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