taz.de -- Kommentar Spaltung der AfD: Das Ende des Aufstiegs
Mit dem Antisemitismus-Streit folgt die AfD den Republikanern und der Schill-Partei. Ihr geht das liberal-konservative Image verloren.
Fast alle Versuche, in Deutschland rechtspopulistische Parteien zu etablieren, sind an dem gleichen Widerspruch zerschellt. Die Rechten polterten gegen den liberalen Mainstream und Migranten, wollten aber gleichzeitig als wahre Konservative gelten. Genau dieser Spagat ist Republikanern, Schill-Partei und anderen rechten Parteien in schöner Regelmäßigkeit misslungen. Die antiliberalen Hassreden zogen magnetisch Rechtsextreme an. Der Schein des Gutbürgerlichen verschwand, übrig blieben obskure rechte Spittergruppen.
Die AfD schien bisher das Gegenteil zu beweisen. Doch der Aufstieg der Rechtspopulisten kann mit dem [1][Austritt von Parteichef Jörg Meuthen und einem Dutzend Abgeordneten aus der AfD-Fraktion in Baden Württemberg] vorbei sein. Spaltungen und innere Kämpfe wirken auf das rechtsbürgerliche Publikum, das es lieber aufgeräumt mag, ohnehin deprimierend.
Dass der Chef der AfD nun aus der eigenen Fraktion flieht, ist mehr als ein Krisenzeichen. Meuthen beteuert zwar unverdrossen, dass die Rechtspopulisten „eine staatstragende Partei sind“. Doch das ist die AfD nicht. Die Fraktion in Stuttgart ist nicht in der Lage, einen Abgeordneten auszuschließen, der das „Talmud-Judentum“ für den „inneren Feind des christlichen Abendlandes“ hält.
Schon die Vorgeschichte dieses Eklats war bezeichnend. Wer ein paar Zitate aus Wolfgang Gedeons Agitpropschriften las, wusste, dass man kein wissenschaftliches Gutachten braucht, um zu erkennen, dass es sich hier um puren Antisemitismus handelt. Doch knapp die Hälfte der AfD-Fraktion in Stuttgart ist nicht in der Lage, das Selbstverständliche zu tun.
All das passiert nicht im Osten, wo Höcke & Co. völkische Propaganda forcieren, sondern im Südwestern der Republik. Dort, wo die AfD sich um das Image bemüht, das liberal-konservative Bürgertum zu verkörpern.
Der Kitt war eine Legende
Das Erfolgsgeheimnis der AfD war es bis dato, wie ein Staubsauger allen Verdruss aufzusammeln und gegen die da oben zu bündeln. Die Legende, die einzige Opposition in „der linksgrün versifften Republik“ zu sein, so Parteichef Jörg Meuthen, war der Kitt, der auch das Unvereinbare verband.
Kann sein, dass es mit diesem glatten Aufstieg erst einmal vorbei ist. Der Gedeon-Eklat ist keine Etappe in einem Häutungsprozess, an dessen Ende eine rechtskonservative, demokratische Partei stehen wird. Er zeigt vielmehr, welchen geistigen Schutt die AfD mit sich führt.
5 Jul 2016
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Vermutlich werden auch die Machtspiele den Rechtspopulisten nicht schaden. Die Distanzierung vom Antisemitismus folgt einem Kalkül.
Die AfD im Stuttgarter Landtag hat einen Antisemiten in ihren Reihen. Aber auch die anderen sind nicht gerade harmlos. Die AfDler im taz-Check.
In der AfD entbrennt der Führungsstreit vollends. Meuthen gründet eine eigene Landtagsfraktion, Frauke Petry inszeniert sich als Konkurrenz.
Jörg Meuthen hat eine neue Fraktion, die „Alternative für baden-Württemberg“ gegründet. Parteichefin Petry sagt aber, der verlassene Rest sei die „richtige AfD“.
Keine vier Monate nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg hat sich die AfD-Fraktion gespalten. Bislang ist noch unklar, wie es weitergeht.
Wegen des Antisemitismus-Skandals verlassen 13 von 23 AfD-Abgeordnete die Fraktion. Für Fraktionschef Meuthen ist die Spaltung endgültig.
Die AfD wollte offenbar, dass ein Holocaust-Leugner das Buch eines ihrer Politiker auf Antisemitismus prüft. Die Partei weist den Vorwurf zurück.
Nach dem Saar-Landesverband ist nun die AfD in Bayern Rechtsextremismus-Vorwürfen ausgesetzt. Auf Bundesebene will man dem nicht nachgehen.
Eigentlich hatte Jörg Meuthen gedroht, die Partei zu verlassen, wenn Wolgang Gedeon Abgeordneter bleibt. Doch er hat das Schönreden gelernt.
Ein jüdischer Wissenschaftler soll für die AfD den Sündenbock bei einer unbequemen Entscheidung spielen – eine dummdreiste Idee.