taz.de -- AfD-Gutachten zu Antisemitismus: Auftrag für einen Holocaust-Leugner?
Die AfD wollte offenbar, dass ein Holocaust-Leugner das Buch eines ihrer Politiker auf Antisemitismus prüft. Die Partei weist den Vorwurf zurück.
Stuttgart epd | Die Aufarbeitung der Antisemitismusvorwürfe in der baden-württembergischen AfD sorgt weiter für Wirbel. Nach Informationen der Bild-Zeitung (Montagsausgabe) sollte ein bekannter Holocaust-Leugner an einem Gutachten mitwirken, das wissenschaftlich Passagen in einem Buch des Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon auf Antisemitismus hin untersucht. Die AfD-Spitze hat die Vorwürfe zurückgewiesen.
Bild zufolge sollte der Publizist Gerard Menuhin von der AfD als einer von drei Gutachtern bestellt werden, die sich mit Gedeons umstrittenen Buchpassagen auseinandersetzen. Der Sohn des berühmten Geigers Yehudi Menuhin hat allerdings selbst in einem Buch den Holocaust als „größte Lüge der Geschichte“ bezeichnet. Den Angaben zufolge hatte Menuhin eine Mitwirkung an dem Gutachten bereits abgelehnt.
Der baden-württembergische AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Meuthen teilte am Wochenende mit, man habe nie beabsichtigt, Menuhin als Gutachter zu bestellen. Der Name sei lediglich von einem Fraktionsmitglied in den Raum geworfen worden. Nachdem recherchiert worden war, dass es sich um einen Holocaust-Leugner handelt, habe für alle Kommissionsmitglieder festgestanden, dass er „niemals als Gutachter infrage kommen würde“.
Der AfD-Politiker Gedeon lässt derzeit seine Mitgliedschaft in der Landtagsfraktion ruhen. Die Fraktion will im Herbst nach Fertigstellung des Gutachtens entscheiden, ob sie Gedeon ausschließt. Fraktionschef Meuthen hatte angekündigt, sein Amt aufzugeben, sollte die Fraktion nicht für den Ausschluss stimmen.
4 Jul 2016
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Mit der Kennzeichnung 1941 begann der systematische Mord an mindestens sechs Millionen Juden. Sie war die letzte einer Reihe von Ausgrenzungen.
Jörg Meuthen hat eine neue Fraktion, die „Alternative für baden-Württemberg“ gegründet. Parteichefin Petry sagt aber, der verlassene Rest sei die „richtige AfD“.
Keine vier Monate nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg hat sich die AfD-Fraktion gespalten. Bislang ist noch unklar, wie es weitergeht.
Mit dem Antisemitismus-Streit folgt die AfD den Republikanern und der Schill-Partei. Ihr geht das liberal-konservative Image verloren.
Wegen des Antisemitismus-Skandals verlassen 13 von 23 AfD-Abgeordnete die Fraktion. Für Fraktionschef Meuthen ist die Spaltung endgültig.
Eigentlich hatte Jörg Meuthen gedroht, die Partei zu verlassen, wenn Wolgang Gedeon Abgeordneter bleibt. Doch er hat das Schönreden gelernt.
Ein jüdischer Wissenschaftler soll für die AfD den Sündenbock bei einer unbequemen Entscheidung spielen – eine dummdreiste Idee.
Eine Kommission soll prüfen, ob ein Abgeordneter Antisemit ist. Zentralratspräsident Schuster kritisiert diese Entscheidung der AfD scharf.
Die Entscheidung über Gedeons Verbleib schwächt AfD-Chef Jörg Meuthen – seine Co-Chefin und Rivalin Frauke Petry dürfte das freuen.
Die AfD tut sich schwer damit, sich gegen Antisemitismus abzugrenzen. Die Parteioberen verhakeln sich viel lieber in innerparteiliche Machtkämpfe.