taz.de -- Sonderparteitag der AKP in der Türkei: Davutoglu gibt Parteivorsitz auf

Ministerpräsident Davutoglu will beim kommenden AKP-Treffen den Parteivorsitz niederlegen. Grund ist wohl ein Machtkampf mit Präsident Erdogan.
Bild: Stehen auf Kriegsfuß: der türkische Staatschef und der Ministerpräsident des Landes

Ankara ap | Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu will nicht wieder für den Vorsitz der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung kandidieren. „Ich habe entschieden, dass für die Einheit der Partei ein Wechsel des Vorsitzenden angemessen sein würde“, erklärte Davutoglu am Donnerstag nach Beratungen mit der AKP-Führung. „Ich erwäge, bei dem Parteitag am 22. Mai nicht (für eine Wiederwahl) anzutreten.“ Der neue AKP-Chef wird dann auch Nachfolger Davutoglus als Ministerpräsident werden.

In den vergangenen Tagen war ein immer [1][tiefer gehendes Zerwürfnis zwischen Davutoglu und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan], einem der AKP-Gründer, offen zutage getreten. Davutoglu sagte, er wolle Abgeordneter bleiben. Er habe nicht vor die AKP zu verlassen und rief zur Unterstützung Erdogans auf.

Erdogan hatte Davutoglu 2014 für den Posten des AKP-Chefs vorgeschlagen, als er selbst Staatsoberhaupt wurde. Doch der frühere Professor, Außenminister und Erdogan-Berater erwies sich nicht als Erfüllungsgehilfe, sondern agierte als Regierungschef in einer Reihe von Fragen eigenständig.

So galt Davutoglu als eher moderat und geriet mit dem zunehmend autoritären Erdogan unter anderem in der Kurdenfrage über Kreuz. So sprach er über die Möglichkeit von Friedensverhandlungen mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, falls diese ihre bewaffneten Kämpfer aus der Türkei abziehe. Erdogan erklärte dagegen, ein Friedensprozess stehe außer Frage, die Armee werde so lange weiterkämpfen, bis der letzte PKK-Rebell getötet sei.

Auch der Verhaftung von Journalisten und Akademikern stand Davutoglu kritisch gegenüber. Erdogan regte dagegen schließlich sogar an, wer Extremisten unterstütze, solle die türkische Staatsbürgerschaft verlieren. Zudem unterstütze Davutoglu nur halbherzig Erdogans Bemühungen um eine Umwandlung der Türkei in ein Präsidialsystem. Ein zweistündiges Krisengespräch zwischen den beiden einstigen Verbündeten am Mittwoch brachte keine Einigung.

Davutoglu versicherte am Donnerstag, er mache niemandem Vorwürfe und empfinde weder Ärger noch Verbitterung. Für einen Versuch der Parteispaltung stehe er nicht zur Verfügung. Die Ehre des Präsidenten sei auch seine eigene.

5 May 2016

LINKS

[1] /Geruechte-um-tuerkischen-Regierungschef/!5301090/

TAGS

Schwerpunkt Türkei
Ahmet Davutoglu
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt AKP
HDP
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Türkei

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Immunität in der Türkei: Erdoğan provoziert mehr Gewalt

In der Türkei soll Abgeordneten aller Parteien die Immunität entzogen werden können. Aber das ist reine Dekoration. Es geht nur um die HDP.

Amtsverzicht Ministerpräsident Davutoğlu: Zu viel Haltung

Der türkische Präsident Erdoğan hat sich durchgesetzt. Ministerpräsident Davutoğlu verliert seinen Posten – er war wohl nicht biegsam genug.

Kommentar Amtsverzicht Davutoğlu: Der lange Schatten Erdoğans

Mit Davutoğlu geht ein Ministerpräsident, der diesen Titel verdiente. Sein Nachfolger wird ein Erfüllungsgehilfe des Präsidenten sein.

Gerüchte um türkischen Regierungschef: Davutoğlu erwägt Rücktritt

Laut Medienberichten will der türkische Regierungschef zurücktreten. Der Hintergrund sei ein Machtkampf mit Staatspräsident Erdoğan.

Syrische Flüchtlinge in der Türkei: Abschiebungen, die es nicht gibt

Menschenrechtler beschuldigen die Türkei, syrische Flüchtlinge systematisch abzuschieben. Hinweise darauf bestätigen sich jedoch nicht.

Angela Merkel in der Türkei: Lob für Flüchtlingspolitik

Die Bundeskanzlerin besuchte ein Flüchtlingslager nahe der syrischen Grenze. Die Türkei verlangt Visafreiheit für die Einreise in EU-Staaten.

Staatsbürgerschaft von PKK-Unterstützern: Erdogan droht mit Aberkennung

Der türkische Präsident sieht in den Unterstützern der PKK „Wölfe im Schafspelz“. Sie hätten es nicht verdient, türkische Mitbürger zu sein.