taz.de -- Staatsbürgerschaft von PKK-Unterstützern: Erdogan droht mit Aberkennung

Der türkische Präsident sieht in den Unterstützern der PKK „Wölfe im Schafspelz“. Sie hätten es nicht verdient, türkische Mitbürger zu sein.
Bild: „Wir sind nicht dazu verpflichtet, Leute mitzutragen, die ihren Staat und ihr Volk verraten“, sagt Erdogan

Ankara afp | Im langjährigen Kampf gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nun erstmals vorgeschlagen, PKK-Unterstützern die türkische Staatsbürgerschaft abzuerkennen. „Wir müssen alle Maßnahmen treffen, dazu gehört, den Anhängern der terroristischen Organisation (der PKK) die Staatsbürgerschaft abzuerkennen“, sagte Erdogan am Dienstag vor Anwälten in Ankara. Als Unterstützer bezeichnete Erdogan Akademiker, Journalisten und Politiker, die „wie ein Wolf im Schafspelz“ agierten.

„Diese Leute haben es nicht verdient, unsere Mitbürger zu sein“, sagte Erdogan. „Wir sind nicht dazu verpflichtet, Leute mitzutragen, die ihren Staat und ihr Volk verraten.“ Die Unterstützer der PKK seien „auch nicht anders als Terroristen, die Bomben werfen“. Es sei nicht zulässig, „Verrat an Staat und Nation“ zu begehen.

Regierungschef Ahmet Davutoglu betonte jedoch, der Entzug von Staatsbürgerschaften stehe nicht unmittelbar bevor. „Diese Idee ist noch nicht fertig“, sagte Davutoglu am Dienstag vor einem Besuch in Finnland.

Gegen die linksliberale, prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) betreiben Erdogan und seine islamisch-konservative Regierung seit längerem eine Kampagne wegen angeblicher Unterstützung der in der Türkei als Terrororganisation verbotenen PKK. So soll den beiden HDP-Vorsitzenden, Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag, und weiteren Abgeordneten der Partei die parlamentarische Immunität entzogen werden.

Friedensgespräche waren ergebnislos

Die Freiheitsfalken Kurdistans (TAK), nach Einschätzung der türkischen Behörden eine Untergruppe der PKK, bekannten sich zu zwei Selbstmordanschlägen in der Hauptstadt Ankara, bei denen im Februar und März insgesamt 65 Menschen getötet wurden. Friedensgespräche zwischen der Regierung und der PKK, die im Herbst 2012 begonnen hatten, brachten kein Ergebnis.

Nach einer zweijährigen Waffenruhe flammte der Konflikt im Sommer 2015 neu auf. Seit 1984 wurden in dem Konflikt rund 40.000 Menschen getötet.

Die türkische Polizei ging unterdessen mit einer neuen Festnahmewelle gegen die Bewegung des Erzfeindes von Erdogan, des islamischen Predigers Fethullah Gülen, vor. Bei Razzien in zahlreichen Landesteilen wurden nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu insgesamt 68 Menschen festgenommen, darunter Beamte, Lehrer und Geschäftsleute.

Die Razzien richteten sich gegen Mitglieder von Gülens sogenannter Hizmet(Dienst-)Bewegung. Der Prediger lebt in den USA. Die Gülen-Anhänger betreiben in der Türkei Schulen, Medien und Wirtschaftsunternehmen und haben sich im Laufe der Jahre auch im Behördenapparat großen Einfluss verschafft. Erdogan wirft der Bewegung eine Unterwanderung des Staatsapparates mit dem Ziel eines Umsturzes vor, was „Hizmet“ zurückweist.

Gülen, ein ehemaliger Unterstützer Erdogans, hatte sich Ende 2013 mit dem damaligen Regierungschef und heutigen Präsidenten überworfen. Seitdem geht die Regierung immer wieder mit Entlassungswellen in Justiz und Polizei sowie Festnahmewellen gegen Gülen-Anhänger vor. Insgesamt sollten bei der Aktion am Dienstag 120 Menschen in Polizeigewahrsam genommen werden; nach einer Meldung der Online-Ausgabe der Zeitung Hürriyet befanden sich einige der Gesuchten jedoch im Ausland.

6 Apr 2016

TAGS

Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
PKK
Kurden
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Pressefreiheit
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt Türkei

ARTIKEL ZUM THEMA

Immunität von türkischen Abgeordneten: Anti-Immunitätsgesetz auf dem Weg

Das türkische Parlament stimmt über das Gesetz ab, das jedem vierten Abgeordneten die Immunität entziehen wird. Die pro-kurdische HDP befürchtet Repressionen.

Sonderparteitag der AKP in der Türkei: Davutoglu gibt Parteivorsitz auf

Ministerpräsident Davutoglu will beim kommenden AKP-Treffen den Parteivorsitz niederlegen. Grund ist wohl ein Machtkampf mit Präsident Erdogan.

Schlägerei im türkischen Parlament: Immunität soll ausgehebelt werden

Der Verfassungsausschuss segnet die Aufhebung der Immunität ab. Davon sind auch 50 der 59 Abgeordneten der kurdisch-linken Partei HDP betroffen.

Großrazzia gegen Gülen-Anhänger: Hundert Festnahmen im ganzen Land

Die türkische Polizei hat rund 100 Personen verhaftet. Sie sollen die Bewegung des muslimischen Geistlichen Fethullah Gülen unterstützt haben.

Debatte Türkei: Atatürks späte Rache

Erdoğan kopiert nur den autoritären Stil der Atatürk’schen Modernisierung. Ein neuer kultureller Aufbruch braucht eine veränderte Symbolpolitik.

Pressefreiheit in der Türkei: Die Repression hat Tradition

Öffentliche Hetztiraden und ein fragwürdiges Akkreditierungsverfahren: Wie die Regierung versucht, ausländische Journalisten loszuwerden.

Kommentar Terror in der Türkei: Erdoğan eskaliert die Gewalt

Recep Tayyip Erdoğan wurde ursprünglich gewählt, weil er Stabilität versprach. Das Gegenteil ist nun der Fall. Die Lage in der Türkei ist hoffnungslos.

Türkei nach dem Anschlag in Ankara: Erdoğan lässt es eskalieren

Eine kurdische Studentin soll den Anschlag in Ankara verübt haben. Büßen sollen nun alle Kurden und alle, die für Frieden sind.

Nach dem Anschlag in Ankara: Türkei bombardiert PKK-Stellungen

Präsident Erdogan verstärkt den Kampf gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei. Bei Luftangriffen wurden zahlreiche PKK-Kämpfer getötet.