taz.de -- Videoüberwachung in Berlin: Einer guckt immer

Die Regierungskoalition will am Alexanderplatz ein Modellprojekt starten. Die Opposition scheitert mit dem Antrag, die Wirkung der Kameras auswerten zu lassen.
Bild: Videoüberwachung: Nie allein

Der Antrag der Piratenfraktion ist umfangreich, aber die Lektüre wert: In Berlin gibt es derzeit mindestens 14.765 Videokameras im öffentlichen Raum. Davon befinden sich rund 13.500 Geräte im Bereich des Personennahverkehrs. Die Speicherfrist für die Aufnahmen ist 2012 von 24 auf 48 Stunden verlängert worden. Eine wissenschaftliche Auswertung, was die Überwachungsaktion bringt, hat der Senat indes nie für nötig gehalten.

Das wird auch in Zukunft so bleiben. Einen von der Piratenfraktion eingebrachten Antrag, der von Grünen und Linken unterstützt wird, lehnte die rot-schwarze Regierungskoalition am Montag im Innenausschuss ab. Videoüberwachung im öffentlichen Raum bedeute immer einen Grundrechtseingriff – hatte der innenpolitische Piratensprecher, Christopher Lauer, den Antrag begründet. Der Senat müsse die Wirkung der Videoüberwachung mindestens ein Jahr lang wissenschaftlich evaluieren lassen. Dabei gehe es nicht nur um die Frage, ob mithilfe von Videoaufzeichnung Strafverfolgung erleichtert werde, sondern auch darum, ob sich potenzielle Täter durch die Existenz von Kameras abschrecken ließen, diese also präventiv wirken.

All das müsse an vorhandenen videoüberwachten Orten erforscht werden. Solange das nicht geschehen sei, dürften keine neuen Überwachungsräume geschaffen werden, forderten die Piraten in ihrem Antrag. „Bringt es was, oder nicht? Das ist eine Glaubensfrage“, ist Lauer überzeugt. Ohne seriöse Zahlen werde die Debatte über Videoüberwachung stets eine ideologische Debatte bleiben.

Der Senat hatte auf einer Klausurtagung Anfang 2016 einen Modellversuch zur Ausweitung der Videoüberwachung, insbesondere an öffentlichen Plätzen, beschlossen. Auch die Speicherfrist von derzeit 48 Stunden soll weiter erhöht werden. Innensenator Frank Henkel (CDU) verriet nichts Neues, als er sich als Anhänger von Videoüberwachung outete – „ganz unideologisch“, wie er Glauben zu machen suchte. Denn: Der Nutzen bei der Strafverfolgung stehe außer Frage. Das belegten die Zahlen der BVG. Zwischen Januar 2014 und Juni 2015 hätten die Berliner Verkehrsbetriebe mehr als 5.000 Fälle von Aufzeichnungen an die Polizei weitergeleitet. In 700 Fällen seien Tatverdächtige ermittelt worden. Ob die Kameras auch eine präventive Wirkung hätten, ließe sich statistisch kaum beweisen, darum sei eine Evaluation unsinnig, so Henkel. Er schlage vor, am stark frequentierten Alexanderplatz ein Modellprojekt zur Videoüberwachung zu installieren. Damit könnte man auch Vergleichszahlen zum Zeitpunkt vor der Überwachung generieren.

Ein Moratorium lehnten CDU und SPD ab. „Das geht zu weit“, so der innenpolitische Sprecher der SPD, Frank Zimmermann. Auch er sprach sich für ein Modellprojekt am Alexanderplatz aus. LinkenFfraktionschef Udo Wolf bezeichnete die Haltung der Regierungskoalition als „Posse“. Die Weigerung, die Videoüberwachung evaluieren zu lassen, sei ihm ein Rätsel, „da alle betonen, dass das eine unideologische Entscheidung ist“.

25 Apr 2016

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Plutonia Plarre

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