taz.de -- Wohnungsmarkt in Berlin: Stadtforscher warnt vor Banlieues

Immer mehr Arme ziehen in Großsiedlungen an den Stadtrand. Andrej Holm sieht diese Konzentration als Folge der Verdrängung durch hohe Mieten.
Bild: Die Wenigsten können sich „Belles Etages“ im Berliner Stadtteil Mitte leisten

Berlin epd | Der Berliner Stadtforscher Andrej Holm warnt vor der Entstehung von Vorstädten mit sozialen Problemen wie in Paris auch in der Bundeshauptstadt. Berlin entmische sich sozial, sagte Holm der in Berlin erscheinenden Tageszeitung Neues Deutschland: „Es entwickelt sich eine ziemlich klassische Konzentration von Armen in Großsiedlungen am Stadtrand, die wir bisher vor allem aus anderen Städten wie Paris mit den Banlieues kannten.“ Dies sei eine Folge der Verdrängung durch hohe Mieten vor allem in der Innenstadt. Große Teile der Stadt hätten sich zu „Hartz IV-freien Zonen“ entwickelt.

Als Konsequenz aus diesen Entwicklungen müsse der Senat alles tun, um die 120.000 noch bestehenden Sozialwohnungen zu erhalten, sagte der Stadtsoziologe, der an der Berliner Humboldt-Universität lehrt. „Es ist ein Skandal, dass gerade in der Innenstadt Wohnungen schnell aus der Bindung entlassen worden sind.“ Stadtweit hinke der Neubau dem Auslaufen von Sozialbindungen hinterher.

Weiter forderte der Forscher ein komplettes Mietmoratorium für die 300.000 öffentlichen Wohnungen, das Erhöhungen sowohl bei Bestandsmietern als auch bei Neuvermietungen ausschließen würde.

Für Häuser in Privatbesitz schlägt Holm vor, kurzfristig einen „Anti-Spekulationsfonds“ zu schaffen, mit dem die Stadt Häuser mit offensichtlichen „Entmietungsstrategien“ aufkaufen könne. Eine höhere Grunderwerbssteuer könne zudem den schnellen Weiterverkauf bremsen. „Die Erfahrung zeigt, dass der Verdrängungsprozess fast immer mit einem Eigentümerwechsel beginnt“, sagte Holm.

3 Apr 2016

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