taz.de -- Kommentar zu Irans Präsident Ruhani: Öffnung und Repression
Die Politik der wirtschaftlichen Öffnung steht im krassen Widerspruch zu den Realitäten. Es tobt ein Richtungsstreit um die Zukunft des Landes.
Der iranische Staatspräsident Hassan Ruhani befindet sich auf seiner ersten Europareise nach dem Atomabkommen. Die gegen das Land verhängten Sanktionen sind großteils aufgehoben. Der Iran hat, von außen betrachtet, ein großes Potenzial, um sich rasch zu modernisieren. Ruhani und seine Regierung sind bestrebt, das Land nach außen zu öffnen, was im Westen, nicht zuletzt in Deutschland, bei Investoren Hoffnung auf lukrative Geschäfte ausgelöst hat.
Doch die Politik der wirtschaftlichen Öffnung steht im krassen Widerspruch zu den wirtschaftlichen und politischen Realitäten. Iran ist zwar das Land mit den zweitgrößten Erdölreserven in der Welt. Aber der Ölpreis befindet sich seit Monaten im freien Fall. Damit ist die Aussicht auf neue Einnahmen, von denen der iranische Staat abhängig ist, sehr gering.
Ungünstig ist auch, dass die iranische Wirtschaft sich weitgehend in der Hand des Staates befindet. Die Privatwirtschaft, die auch unter staatlicher Kontrolle steht, spielt eine geringe Rolle. Zudem kennt die Korruption keine Grenzen. Die größten Unternehmer des Landes sind die Revolutionsgarden, die nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch über großen Einfluss verfügen. Sie sind auch im Ausland, in Syrien, im Irak, in Libanon und in anderen Ländern der Region wie Jemen aktiv.
Im Gegensatz zu der angestrebten Öffnung nach außen wurden die Versprechungen Ruhanis, auch nach innen eine Öffnung herbeizuführen, nicht eingehalten. Im Gegenteil, die Zahl der Hinrichtungen hat sich in den letzten zwei Jahren erhöht, die Repressionen gegen Andersdenkende wurden zum Teil verschärft. Zahlreiche Künstler, Schriftsteller und Journalisten befinden sich im Gefängnis.
Die Hoffnung der Reformer, bei den bevorstehenden Parlamentswahlen Ende Februar die Mehrheit der Sitze erringen zu können, hat einen starken Dämpfer bekommen. Der mächtige Wächterrat, der für die Zulassung der Bewerber zuständig ist, hat mehr als die Hälfte der Reformer abgelehnt.
Im Iran tobt ein Machtkampf zwischen Reformern und Ultras und Konservativen. Möglicherweise wird die Situation der Menschenrechte für manche Investoren und Unternehmen keine Rolle spielen. Sie sollten sich aber bewusst sein, dass die Zukunft des Landes längst nicht entschieden ist.
26 Jan 2016
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Trotz des Atomabkommens mit dem Iran stimmt das US-Repräsentantenhaus einen Entwurf für die Option auf Sanktionen zu.
Die Regierung Rohani bemüht sich im Inneren um Freiheit, kann die Kulturschaffenden aber nicht vor den islamistischen Hardlinern schützen.
Die Bundesregierung würde gern für Exporte in den Iran bürgen und so den Erfolg des Atomabkommens absichern. Doch es gibt noch alte Schulden.
Bei der zweiten Runde gewinnen gemäßigte und moderat konservative Kräfte. Innenpolitische Reformen durchzusetzen, wird aber schwer.
Babak Sandschani ist zum Tode verurteilt worden. Der iranische Unternehmer soll aus dem Ölembargo von EU und USA Profit geschlagen haben.
Ersten Auszählungen zufolge gewinnen Reformkräfte fast alle Sitze. Vor allem in der Hauptstadtregion in und um Teheran schneiden die Moderaten sehr gut ab.
Außenminister Steinmeier zeigt sich demonstrativ freundlich zum Iran. Er legt Hassan Ruhani nahe, demnächst mal in Berlin vorbeizuschauen.
Nach dem Ende der Sanktionen erhofft sich der Westen lukrative Deals mit Teheran. Doch die Hoffnung auf den Aufschwung im Iran ist verfrüht.
Die Hardliner im mächtigen Wächterrat hatten Tausende Kandidaten für die Parlamentswahl abgelehnt. Präsident Ruhani will sie jetzt doch zulassen.
Der Konflikt zwischen Riad und Teheran spitzt sich zu – das saudische Königshaus bricht nun alle diplomatischen Beziehungen ab. Die USA fordern zum Dialog auf.
Irans geistliches Oberhaupt Chamenei gibt Saudi-Arabien Mitverantwortung für das Unglück in Mina. Bei einer Massenpanik kamen dort hunderte Pilger ums Leben.
Im Sommer soll es zu einem Atom-Abkommen kommen. Irans Präsident fordert, dass beim Abschluss alle Sanktionen aufgehoben werden – sofort.