taz.de -- Syrienkonferenz in New York: Assads Regierung die Hand reichen
Die Syrienkonferenz berät am Freitag erneut. Das Ziel: ein Waffenstillstand. Dafür soll Syriens Opposition mit Assads Regierung verhandeln.
Genf taz | In New York kommen am Freitag die Außenminister der USA, Russlands, Irans, Saudi-Arabiens, der Türkei und zwölf weiterer Staaten zusammen, um die Voraussetzungen für einen Waffenstillstand in Syrien und für Verhandlungen zwischen der Regierung Assad und den diversen Oppositionsgruppen zu schaffen. Etwaige Ergebnisse des Treffens sollen möglicherweise gleich anschließend vom UNO-Sicherheitsrat in eine völkerrechtlich verbindliche Resolution gefasst werden.
[1][Bei ihrem letzten Treffen Mitte November] in Wien hatten sich die 17 Außenminister auf einen Fahrplan für die Beendigung des Syrienkrieges und den Übergang zu einer Nachkriegsordnung verständigt.
Laut diesem Fahrplan soll möglichst noch bis Ende dieses Monats in Syrien ein „landesweiter“ Waffenstillstand in Kraft treten. Danach sollen sich die syrische Regierung und eine „gemeinsame Delegation“ der diversen Oppositionsgruppen in Verhandlungen bis spätestens Mitte 2016 auf die Bildung einer Übergangsregierung einigen, die dann den Entwurf für eine neue Verfassung ausarbeiten soll. Spätestens Mitte 2017 sollen dann von der UNO überwachte Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden.
Bislang ist allerdings nach wie vor die Zusammensetzung der „gemeinsamen Verhandlungsdelegation“ der diversen säkularen und islamistischen, bewaffneten und unbewaffneten syrischen Oppositionsgruppen nicht geklärt. Bei einem Treffen von über 100 Oppositionsvertretern in der saudischen Hauptstadt Riad, zu dem die syrischen Kurden auf Wunsch der Türkei erst gar nicht eingeladen wurden, und bei dem Frauen mit unter zehn Prozent völlig unterrepräsentiert waren, konnte man sich nicht auf eine gemeinsame Delegation einigen. Parallel dazu trafen sich die ausgeschlossenen Kurden und andere nicht nach Riad eingeladenen Bevölkerungstruppen und erhoben den Anspruch, am Verhandlungstisch mit der Regierung vertreten zu sein.
Wie wird sich der IS verhalten?
Ob islamistische Oppositionsmilizen mit Beziehungen zur Al-Nusra-Front – dem syrischen Ableger des al-Qaida-Terrornetzwerkes – an der gemeinsamen Oppositionsdelegation beteiligt werden sollen- ist zwischen Russland und Iran einerseits und Saudi-Arabiens und der Türkei andererseits umstritten. Die Obama-Administration ist in dieser Frage bislang nicht entschieden, weil sie die Al-Nusra-Front als potenziellen Verbündeten bei der Bekämpfung des „Islamischen Staat“ (IS) betrachtet.
Bewaffnete Oppositionsgruppen, deren Anspruch auf Beteiligung am künftigen politischen Verhandlungsprozess mit der Regierung nicht befriedigt wird, werden möglicherweise nicht bereit sein zu einer Waffenstillstandsvereinbarung. Selbst wenn diese zustande kommen sollte, bleibt die große Frage, wie sich der IS dazu verhält. Auch nach Inkraftretten eines „landesweiten Waffenstillstandes“ solle der IS, dessen Milizen derzeit noch über 50 Prozent des syrischen Territoriums kontrollieren, „weiterhin bekämpft werden“, hatten die Außenminister der USA und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow zum Abschluss der Wiener Konferenz Mitte November betont.
Vorschläge für die Stationierung einer robusten UNO-Truppe mit dem Auftrag, einen „landesweiten“ Waffenstillstand auch gegen den IS durchzusetzen, haben im UNO-Sicherheitsrat keine Chance, weil kein Staat bereit ist, Soldaten für eine solche UNO-Truppe bereitzustellen.
Weiterhin unklar ist auch, wer für die Regierung Assad am künftigen Verhandlungstisch sitzen soll. Bislang ist weder öffentlich noch hinter den diplomatischen Kulissen kein einziger Name eines Vertreters dieser Regierung genannt worden, der auch für die Opposition akzeptabel wäre. Verhandlungen mit Assad lehnen sämtliche Oppositionsgruppen geschlossen ab. Sie fordern zudem, dass der Präsident auch einer künftigen Übergangsregierung nicht mehr angehören darf. Diese Forderung geht den Regierungen Russlands und Irans zu weit, die Assad aber dazu aufgefordert haben, bei den für Mitte 2017 vorgesehenen Präsidentschaftswahlen nicht mehr zu kandidieren. Das lehnt Assad bislang allerdings noch ab.
18 Dec 2015
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Das syrische Oppositionsbündnis ist nach langem Zögern in Genf eingetroffen, beharrt aber auf seinen Forderungen und droht mit Abreise.
In die Luft gesprengt, planiert oder angezündet: Laut Amnesty International vertreiben kurdische Kämpfer im Irak Zivilisten und eliminieren ganze Dörfer.
Russland inszeniert seine Luftangriffe in Syrien als quasi chirurgische Operationen gegen Terrorkämpfer. Amnesty International spricht von vielen zivilen Opfern.
Viele Konfliktparteien finden, Assad sollte bei den nächsten Präsidentschaftswahlen nicht mehr antreten. Doch damit würde eine Chance verspielt.
Nach der UN-Resolution äußern Oppositionelle Kritik. Völlig unklar ist, wer die Regierung Assad am Verhandlungstisch vertreten soll.
Das UN-Gremium hat einen ambitionierten Zeitplan für den Übergang zur Demokratie. Doch was wird aus Präsident Assad? Die syrische Führung übt Kritik.
Unter Berufung auf das „Staatswohl“ will Schwarz-Rot keine Angaben über eine Zusammenarbeit des BND mit dem syrischen Geheimdienst machen.
Syriens Regime und seine Gegner sollen ab Januar verhandeln. Doch erst muss die Opposition ihre Reihen schließen – ein schwieriges Unterfangen.
Die Dringlichkeit für die Suche nach einer politischen Lösung in Syrien nimmt zu. Viele Punkte bleiben offen, darunter auch die Zukunft von Assad.
Binnen 18 Monaten soll sich Syrien eine neue Verfassung geben, so ein russisches Papier. Die syrische Opposition lehnt den Vorschlag ab.
Die Verhandlungen bringen noch keinen Durchbruch, doch die Parteien nähern sich an. Umstritten ist, was mit Machthaber Assad passieren soll.