taz.de -- Rüstungskonferenz in Essen: Nato an der Heimatfront

Offiziere der Bundeswehr wollen Skepsis gegenüber Militäreinsätzen abbauen. Junge Soldaten sollen künftig bloggen.
Bild: Da kann die Nato noch was lernen: Russischer Protest vor der türkischen Botschaft in Moskau – direkt mit dem passenden Hashtag.

Essen taz | Kurz nachdem am Dienstagmorgen ein türkischer Jet ein russisches Militärflugzeug abgeschossen hatte, trafen sich in der Essener Messe 250 hohe Nato-Offiziere und Vertreter der Rüstungsindustrie zu einer Konferenz über strategische Kommunikation. Bei der Begrüßung des amerikanischen Generals Frank Gorenc, Oberbefehlshaber der US Airforce in Europa und Afrika, begannen die ersten Soldaten, sich über ihre Mobiltelefone über den Vorfall zwischen dem Nato-Mitglied Türkei und Russland zu informieren.

Auf das Programm der Konferenz hatte der Abschuss ansonsten keinen Einfluss.

Frank Gorenc leitet die Nato-Einrichtung „Joint Air Power Competence Center“ (JAPCC), die zu der Tagung geladen hatte. Das Zentrum mit Sitz im niederrheinischen Kalkar ist vor allem für die strategische Weiterentwicklung der Luftstreitkräfte zuständig.

Die Soldaten machen sich auch Gedanken über die Heimatfront. Bei der bis gestern laufenden Konferenz diskutierten die Teilnehmer über die Ausrichtung der Kommunikation des Militärbündnisses, Desinformation und Umgang mit Medien. Journalisten waren zugelassen, dürfen aber niemanden namentlich zitieren.

Die Analyse der Militärs: Russland und der „Islamische Staat“ sind für das Bündnis derzeit auch kommunikativ die größten Herausforderungen. Russland betreibe mit staatlichem Fernsehen und über die sozialen Medien gezielte Desinformationskampagnen. Der IS sei gut darin, seine Propaganda zu verbreiten.

Kommunikationsdefizite

Bei der Nato gebe es dagegen in der Außenkommunikation starke Defizite, hieß es. Man müsse eigene „Narrative“ entwickeln, am „Storytelling“ arbeiten. Die Nato sei „schlecht in Social Media, denn wir sind nicht sozial“, sagte ein Militär.

Als positive Beispiele wurden niederländische Afghanistan-Veteranen genannt, die im Fernsehen ihre Geschichten erzählten. Sie hätten der Armee ein Gesicht gegeben. So solle man in Zukunft verstärkt agieren, und junge Soldaten motivieren zu bloggen und zu twittern.

In einer Studie hat das JAPCC die Berichterstattung über Luftschläge in fünf Nato-Ländern untersucht. In den USA und Großbritannien fanden sie eine sachliche Berichterstattung und breite Unterstützung. In Frankreich sei das Verhältnis zu den Einsätzen ambivalent, hieß es.

Probleme habe man in Italien und Deutschland: In der Bundesrepublik sei die Stimmung gegenüber dem Militär von Skepsis geprägt. Projekte, die nicht rund liefen, wie die Bundeswehr-Drohne, würden von den Medien zerrissen. Daran wollen die Militärs arbeiten, denn die Unterstützung der Medien und der Bevölkerung seien wichtig.

26 Nov 2015

AUTOREN

Sebastian Weiermann

TAGS

Nato
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Syrien
Bundeswehr
Russland
Afghanistaneinsatz
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Schwerpunkt Islamistischer Terror

ARTIKEL ZUM THEMA

Nato-Präsenz in Afghanistan: Truppenabzug wird vorerst gestoppt

Die Lage dort sei zu unsicher, ist man sich im Bündnis einig. Die Nato will die Luftabwehr der Türkei mehr unterstützen und lädt Montenegro zum Beitritt ein.

Gipfeltreffen EU-Türkei: Das große Draußen

Für syrische Flüchtlinge gehen die Grenzen europaweit zu. Am Sonntag verhandelt die EU mit der Türkei über einen Flüchtlingsstopp.

Kommentar Bundeswehr gegen den IS: So nicht!

Der jetzt geplante Militäreinsatz riecht nach Aktionismus. Es fehlt ein Friedensplan, der auch die Milizen- und Kurdengebiete absichert.

Koalition beschließt Bundeswehreinsatz: Deutsche Tornados gegen den IS

Die Bundesregierung reagiert auf Frankreichs Bitten. Aufklärungsflugzeuge sollen gegen den „Islamischen Staat“ helfen - vielleicht auch die Marine.

Nach Abschuss eines russischen Kampfjets: Nato mahnt zur Ruhe

Eine Viertelminute lang soll der abgeschossene russische Jet türkischen Luftraum verletzt haben. Jetzt droht Moskau Ankara und rüstet weiter auf.

Beschluss des Kabinetts: Afghanistan-Mandat erweitert

In Afghanistan läuft es nicht optimal. Die Bundesregierung will nun die Soldatenpräsenz leicht erhöhen. Es soll als Signal verstanden werden.

Kommentar Frankreichs Beistandsappell: Nein sagen? Wird schwer

Noch ist unklar, welche Unterstützung Frankreich fordert. Doch die EU-Beistandsverpflichtung ist viel weitgreifender als der Nato-Vertrag.

Frankreich fordert EU-Beistand ein: Sicherheitspolitisches Neuland

Erstmals in der Geschichte der EU fordert ein Mitgliedsland den Beistand der Partnerländer ein. Erste Reaktionen sind von Vorsicht geprägt.

Frankreich gegen den IS: Kein Krieg

Frankreich sieht die Anschläge als „Kriegsakt“ des IS und will entsprechend reagieren. Doch für Terroristen gilt das Strafrecht.