taz.de -- Zentralrat der Juden in Deutschland: Mit Empathie für Flüchtlinge
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, wehrt sich gegen Rassismusvorwürfe. Der Grünen-Abgeordnete Beck springt ihm zur Seite.
Berlin taz | Josef Schuster ist irritiert. „Manche, die jetzt besonders laut trommeln, wollen mich vielleicht auch missverstehen“, sagt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland der taz. „Die heftigen Reaktionen zeigen, dass momentan die politische Debatte über Lösungen der Flüchtlingskrise nicht mehr sachlich geführt wird.“
Damit reagiert Schuster auf die zum Teil äußerst scharfe Kritik an seinen Äußerungen zu einer möglichen Limitierung der Flüchtlingsaufnahme. „Es ist befremdlich, wenn die CSU und der Zentralrat der Juden de facto fordern, die Europäische Menschenrechtskonvention außer Kraft zu setzen“, hatte ihm der Geschäftsführer der Hilfsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, vorgeworfen.
In der taz hatte ihn der Koordinator der jüdisch-muslimischen Salaam-Shalom-Initiative, Armin Langer, gar als Rassisten bezeichnet und vorgeschlagen, „dass sich der Zentralrat der Juden zum Zentralrat der rassistischen Juden umbenennt“.
Anlass für die harschen Anwürfe waren mehrere Sätze Schusters in der Welt. „Über kurz oder lang werden wir um Obergrenzen nicht herumkommen“, hatte ihn das Springer-Blatt zitiert. Zur Begründung gab er an, dass sonst eine erfolgreiche Integration kaum noch gelingen könnte, weil „die Vermittlung unserer Werte zunehmend schwieriger werde“.
Gegen jene, die den muslimischen Glauben als vorrangiges Integrationshemmnis ausgemacht haben wollen, wandte Schuster ein: Wenn man sich anschaue, wo es die größten Integrationsprobleme in Europa gebe, „könnte man zu dem Schluss kommen, hier handele es sich nicht um ein religiöses Problem, sondern um ein ethnisches“. Viele der Flüchtlinge entstammten „Kulturen, in denen der Hass auf Juden und die Intoleranz ein fester Bestandteil sind.“
Gegenüber der taz stellt Schuster klar: „Ohne alle Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen zu wollen, habe ich nur die Sorge artikuliert, dass viele Menschen aus Ländern kommen wie Syrien oder dem Irak, die mit Israel verfeindet sind.“ In diesen Ländern gehöre Judenfeindlichkeit zum Alltag. „Damit sind diese Menschen groß geworden, und viele werden diese Haltung bei Überschreiten der Grenze zu Deutschland nicht ablegen“, so Schuster. „Die Herkunft aus diesen Ländern ist viel entscheidender als die Religion.“
Schuster fordert europäische Lösung
Das bedeute aber keineswegs, dass er dafür sei, Flüchtlinge zurückzuweisen: „Wer meine Äußerungen genau liest, sieht, dass ich mich weder gegen das Grundrecht auf Asyl noch für eine Schließung der Grenzen ausgesprochen habe.“
Schuster fordert: „Wir brauchen Empathie für die Flüchtlinge, aber einen kühlen Kopf, um die Lage zu meistern.“ Er sei weiterhin gegen eine Einschränkung des Asylrechts. Stattdessen trete er dafür ein, „dass Deutschland eine Lösung findet für Asylsuchende, auch wenn unsere Aufnahmekapazitäten erschöpft sind“. Dann müssten diese Menschen „trotzdem einen sicheren Zufluchtsort haben“. Das sei eine Aufgabe für die gesamte EU.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck nahm Schuster in Schutz. Er könne „die Befürchtungen in den jüdischen Gemeinden nachvollziehen, dass syrische Flüchtlinge ein anerzogenes Feindbild von Israel und den Juden mitbringen könnten und dass dies in Bedrohung und Gewalt umschlagen könnte“, sagte er. Bei der Integration müsse „entschlossen und wertegeleitet“ gehandelt werden: „Wer hier dazugehören will, der muss Nein sagen zu Antisemitismus, Rassismus, Islamfeindlichkeit und Homophobie – egal ob er aus Dresden oder Damaskus kommt.“
24 Nov 2015
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