taz.de -- Studie zum internationalen Klimaschutz: Welche Staaten tun zu wenig?
Russland, USA und EU übernehmen nur einen Bruchteil ihres Anteils am Klimaschutz, zeigt eine Studie. China und Indien aber tun, was sie können.
BERLIN taz | Welcher Staat bleibt am weitesten hinter seinen Verpflichtungen zum Klimaschutz zurück? Für eine internationale Koalition aus Gewerkschaften, Kirchen, Umwelt-, Entwicklungsgruppen lautet die Antwort: Russland. Der Klimaplan (im UN-Jargon INDC) aus Moskau „zeigt null Beitrag eines fairen Anteils“ am Klimaschutz. So lautet das Urteil der Studie „Fair Shares“, die Gruppen wie Oxfam, Christian Aid, Care, WWF oder Friends of the Earth am Montag in Bonn vorstellen. Aber auch die USA, die EU und Japan tun demnach viel zu wenig, um ihren Anteil an der Lösung des Problems zu übernehmen.
Mit der Studie richten die Vertreter aus der Zivilgesellschaft den Blick auf die Vorentscheidungen, die bei den Klimaverhandlungen in der kommenden Woche am Sitz des UN-Klimasekretariats in Bonn getroffen werden. Die 195 UN-Staaten verhandeln dort eine Woche lang über einen 20-seitigen Vertragsentwurf für ein Klimaabkommen, das Anfang Dezember in Paris verabschiedet werden soll. Das Kompromisspapier, mit dem viele Akteure unglücklich sind, scheut davor zurück, von den Staaten Klimaschutz einzufordern – im Gegenteil sammeln die UN nur die Klimapläne ein, ohne offiziell zu bewerten, wie sehr sie zum Klimaschutz beitragen und welche Länder eigentlich wie viel tun müssten.
Eine solche Forderung nach „Klimagerechtigkeit“ kommt nun von den NGOs. Sie haben errechnen lassen, wie viel die einzelnen Länder seit 1850 beziehungsweise 1950 an klimaschädlichen Gasen ausgestoßen haben – und wie reich sie damit geworden sind. Daraus haben sie den „fairen Anteil“ der einzelnen Beteiligten ermittelt, die repräsentativ für die wichtigsten Gruppen in den Verhandlungen stehen.
Nach dieser Rechnung tragen die USA und die EU jeweils nur knapp ein Fünftel ihrer Verpflichtung bei, indem sie zu Hause die Emissionen reduzieren oder ärmeren Ländern dabei helfen. Japan zahlt nur ein Zehntel seiner Klimaschulden ab. China dagegen, aktuell der weltweit größte Klimasünder, hat sich zu Maßnahmen verpflichtet, die „seinen Verpflichtungen entsprechen oder leicht darüber liegen“, heißt es in der Studie. Ähnlich positiv werden die Klimapläne von Indien, Indonesien, Kenia und den Marshall-Inseln bewertet. Brasilien wiederum erfüllt seine Ansprüche zu etwa zwei Dritteln.
Insgesamt liege die Summe aller Klimapläne viel zu niedrig, um das von allen Staaten erklärte Ziel zu erreichen, die Erderwärmung bis 2100 auf 2 Grad Celsius zu begrenzen. Je nach Rechenweise sagen verschiedene Institute bisher nach den Plänen eine Erwärmung von 2,9 bis 3,7 Grad voraus.
Da alle Klimapläne freiwillig sind, „haben sich die Regierungen bislang um echte Überprüfung und um ihren fairen Anteil an den Anstrengungen gedrückt“, schreiben die NGOs. Sie fordern mehr Engagement beim Klimaschutz, mehr Geld für die armen Länder und harte Klimaziele alle fünf Jahre im Zeitraum von 2025 bis 2050.
Einfluss in der entscheidenden Phase wollen auch zehn Ölfirmen nehmen. Am Freitag verkündeten die Konzerne der Öl- und Gasindustrie, darunter BP, Shell und Saudi Aramco, ihre Unterstützung für ein Klimaabkommen in Paris – ohne allerdings eigene Klimaziele zu nennen oder konkret einen weltweiten CO2-Preis zu fordern.
19 Oct 2015
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Ökologische Fortschritte lassen sich zwar bremsen, aber nicht umkehren, sagt Jonathan Pershing. Das gilt auch für den republikanischen Kandidaten.
Hitzerekord, zu wenig Geld und eine Konferenzleiterin aus Saudi-Arabien. Das ist die Realität der Klimadiplomatie, die sich in Bonn trifft.
Fast 500 Schüler sollen schwer erkrankt sein. Ihre Schule befindet sich in Changzhou – auf einem Gelände, wo einst Chemiefabriken standen.
Ist Deutschland das Vorbild beim Klimaschutz, als das es sich gern bezeichnet? Womöglich ist das eigene Klimaziel für 2020 schon jetzt tot.
Für Diplomaten beginnt die nicht beherrschbare globale Erwärmung bei einem Temperaturanstieg um zwei Grad Celsius. Woher kommt diese Grenze?
Ein Bergwerksdammbruch verursacht die größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Brasiliens. Nun sind die ersten Entschädigungen fällig.
Deutschland übernimmt ab 2020 zehn Prozent der globalen Hilfen für arme Länder. Das soll die angespannte Atmosphäre entschärfen.
Die globale Klimapolitik bewegt sich nicht. Seit Kioto blockieren die, die an fossilen Brennstoffen verdienen. Das Konsensprinzip nervt.
Zehn Energiekonzerne setzen sich für ein starkes Klimaabkommen ein – zu Lasten der Kohle. Der Kampf zwischen den Ölfirmen ist entbrannt.
In Lima haben sich die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder zur V20-Allianz zusammengetan. Sie wollen ein Gegengewicht zur G 20 bilden.