taz.de -- Kommentar Schlepper: Das letzte Glied der Kette
Es gäbe eine lächerlich einfache Lösung, um das Milieu der Schlepper auszutrocknen: Züge und Fähren in die EU. Aber der politische Wille fehlt.
Tausende Menschen quälen sich jeden Tag von [1][Griechenland] quer durch [2][Mazedonien] und Serbien in das EU-Mitglied Ungarn und von dort aus weiter nach Österreich, Deutschland und weiteren Staaten Mittel- und Nordeuropas. Diese Flüchtlinge, darunter schwangere Frauen und Kinder, müssen im Freien bei Wind und Wetter übernachten, werden in übervolle Regionalzüge gequetscht und von Schleppern zu Wucherpreisen in Lastwagen und Kleinbussen über die Grenze nach Ungarn, Österreich und Deutschland gebracht. Niemand hat bisher die Toten gezählt, die auf diesem Weg nach Europa zurückblieben. Allein in der letzten Woche [3][erstickten 71 Menschen in einem Lastwagen].
Nun ist der Aufschrei groß über die kriminellen Schlepper, die ohne Gewissen den Tod von Menschen in Kauf nehmen, ihnen den letzten Cent abnehmen und sie im Zweifel auf irgendeinem Autobahnstandstreifen aussetzen. „Wir haben gemeinsam die Pflicht, jene, die an diesem Leid auch noch verdienen, in die Schranken zu weisen“, rief Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) die Europäer auf.
Das ist schön gesagt. Tatsächlich handeln viele der Fluchthelfer menschenverachtend und nur auf den schnellen Profit bedacht. Sie haben offenbar kriminelle Netzwerke aufgebaut mit millionenreichen Paten an der Spitze, die irgendwo im Libanon, in Ungarn oder Bulgarien ein sorgenfreies Leben führen. Die Fahrer der mit Flüchtlingen gefüllten Lastwagen, die inzwischen zu Hunderten in Gefängnissen sitzen, sind nur das letzte Glied einer Kette und angesichts der Notlage vieler Menschen auf dem Balkan jederzeit ersetzbar.
Dabei gäbe es eine lächerlich einfache Lösung, um dieses kriminelle Milieu auszutrocknen. Noch bis 1991 verkehrte der Hellas-Express zwischen Athen und Dortmund. Er wurde eingestellt, weil die Fahrgäste lieber das Flugzeug nehmen, doch die Gleise sind weiter vorhanden. Ein Zug, der die Flüchtlinge sicher nach Mitteleuropa brächte, würde Leben retten, Schlepper verarmen lassen und den Flüchtlingen viele Gefahren ersparen. Analog könnten Fähren die Flüchtlinge in Libyen abholen und ihnen so die Reise in seeuntauglichen Nussschalen über das Mittelmeer ersparen.
Doch dieser Zug und dieses Schiff werden nicht fahren. Denn beide hätten eine Endstation, an der all die Flüchtlinge aussteigen würden. Und diese könnte dazu führen, dass sich noch mehr Menschen auf den Weg nach Europa machen, weil dieser Weg gefahrloser werden würde. Solange die EU sich nicht auf eine Aufteilung dieser Menschen einigen kann, so lange wird kein Mitgliedstaat freiwillig dazu beitragen, dass die Flüchtlinge alle beim ihm eintreffen werden.
So sind all die menschelnden Sprüche gegen böse Schlepper nichts weiter als politische Dekoration fürs Publikum. Europa wird weiter dafür sorgen, dass die Flüchtlinge ausgepresst werden. Die Schlepper werden weiter mit überladenen Lkws unterwegs sein. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis dabei erneut verzweifelte Menschen ums Leben kommen.
31 Aug 2015
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