taz.de -- Kommentar Schäubles Europapolitik: Alles nach seiner Fasson

Demokratische Prozesse sind Schäuble ein Gräuel. Seine Vision: ein autoritäres Europa. Doch als technokratisches Gebilde hat es keine Zukunft.
Bild: Hat gern alles im Griff: der Sparminister.

Was will Wolfgang Schäuble? Auf den ersten Blick scheinen seine Äußerungen in jüngster Zeit widersprüchlich. Einerseits verkündet er, die EU-Kommission müsse gestärkt werden. Andererseits droht der Finanzminister hinter verschlossenen Türen mit der Beschneidung ihrer Kompetenzen. Doch der Gegensatz ist keiner. Das eine und das andere gehören zusammen.

Schäuble will sich die EU nach seiner Fasson zurechtschneidern. Dafür braucht er eine EU-Kommission, die ihm als Erfüllungsgehilfe bei der Durchsetzung seiner neoliberalen Austeritätspolitik dient. Insofern strebt er ihre Stärkung gegenüber den Mitgliedstaaten an – die dafür auf noch mehr Souveränität verzichten sollen. So plädiert der eiserne Schatzkanzler für einen EU-Haushaltskommissar, der nationale Haushalte zurückweisen kann, wenn sie nicht den vereinbarten Vorschriften entsprechen.

Was Schäuble jedoch nicht will, ist eine eigenständige Brüsseler Behörde, die seinen Interessen entgegenarbeitet. Darum geht es, wenn er mahnt, es sei „wichtig, dass die Kommission die richtige Balance zwischen ihrer politischen Funktion sowie der Rolle als Hüterin der Verträge wahrt“.

Seine Gedankenspiele, ihr Aufgaben wegzunehmen, sind also nicht zuletzt ein Warnschuss für Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der sich aus Schäubles Sicht unzulässig mit einer weniger rigiden Linie in die Verhandlungen mit Griechenland eingemischt hatte.

Schäubles Vision ist die eines autoritären Europa. „Vordringlich“ sei, erklärte er unlängst in einem Interview, „dass wir Regeln einhalten und durchsetzen“. Demokratische Prozesse, das Ringen um für alle Länder tragbare Kompromisse sind ihm dabei ein Gräuel. Doch mit dieser Politik gefährdet er die europäische Integration. Europa muss demokratischer und solidarischer werden, um zu bestehen. Als technokratisches Gebilde hat es keine Zukunft.

31 Jul 2015

AUTOREN

Pascal Beucker

TAGS

Wolfgang Schäuble
Europäische Kommission
Jean-Claude Juncker
Sparpolitik
IWF
Wolfgang Schäuble
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Schwerpunkt AfD
Griechenland

ARTIKEL ZUM THEMA

Debatte Schuldenschnitt: Geld ist nur Geld

Der IWF hat recht: Man muss die griechischen Schulden streichen. Deutschland und Frankreich sollten dafür zahlen, dass ihre Banken gerettet wurden.

Schäuble greift EU-Kommission an: Juncker soll besser balancieren

Bundesfinanzminister Schäuble will der EU-Kommission Kompetenzen entziehen. Von „Entmachtung“ könne aber nicht die Rede sein, so ein Sprecher.

Ökonomin über griechische Wirtschaft: „Beim Grexit würden alle verlieren“

Der Grexit wäre katastrophal, Währungsspekulanten würden das Land zugrunde richten, warnt Ökonomin Spiecker. Merkel müsse nun auf die Griechen zugehen.

Die Eurokrise als Familiendrama: Ein paternalistisches Verhältnis

Tsipras hat aufbegehrt und wurde in die Rolle des unartigen Sohns gedrückt. Wer in einem Konflikt den Gegner abwertet, straft leichter.

Kolumne German Angst: Die Lust an der Grausamkeit

Das von Merkel gestreichelte Flüchtlingsmädchen darf bleiben – weil es uns nützt. Empathie ist der Deutschen Sache nicht.

Kommentar Bernd Luckes „Alfa“-Partei: Im Geiste Walter Ulbrichts

Bernd Luckes neue Partei „Alfa“ wird chancenlos sein. Denn der ehemalige AfD-Chef unterliegt einem großen Irrtum.

Abstimmung im Bundestag: Mehrheit für Griechenland-Hilfe steht

Der überwiegende Teil der Abgeordneten will für ein neues Hilfspaket für Griechenland stimmen. Die Kritik an Finanzminister Schäuble reißt aber nicht ab.