taz.de -- Brüsseler Gipfel zur Griechenlandkrise: Eurostaaten erzielen Einigung

EU-Ratspräsident Tusk verkündet: Es wird Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm für Griechenland geben. Die Entscheidung fiel einstimmig.
Bild: Der griechische Premierminister Alexis Tsipras verlässt den Brüsseler Krisengipfel.

Brüssel ap/afp | Das vor dem Bankrott stehende Griechenland kann auf weitere Milliardenhilfen hoffen: Nach 17-stündigen Verhandlungen einigten sich die 19 Staats- und Regierungschefs der Eurozone am Montagmorgen einstimmig auf ein drittes Rettungspaket. Das teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk mit. Das Programm für Griechenland beinhalte „beträchtliche Reformen“ und „finanzielle Hilfe“.

Das Abkommen könne Griechenland den Weg ebnen, Euro-Mitgliedsland zu bleiben, erklärte Tusk [1][über Twitter]. Als Erster verkündete der belgische Premier Charles Michel am Montagmorgen um 8.39 Uhr mit lediglich einem Wort über seinen [2][Twitter-Account], dass es zu einer Einigung zwischen den Verhandlungspartnern gekommen sei.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schloss einen Euro-Austritt des südeuropäischen Landes aus. „Es wird keinen Grexit geben“, versicherte er. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, sie trage die Verhandlungen mit voller Überzeugung mit. Doch sagte sie auch, Griechenland müsse das Vertrauen der Euro-Partner wieder aufbauen.

Vorangegangen waren dramatische Tage und Stunden. In der vergangenen Woche hatte Griechenland einen Antrag auf eine auf drei Jahre ausgelegte Hilfe von 53,5 Milliarden Euro aus dem Eurorettungsschirm ESM beantragt. Bei den Verhandlungen wiesen die Gläubiger darauf hin, dass Athen viele Milliarden mehr benötigen werde, um zahlungsfähig zu bleiben. Die griechische Wirtschaft und die Banken stehen vor dem Kollaps.

Knackpunkte IWF-Beteiligung und Privatisierungsfonds

Die Gespräche liefen seit Sonntagabend. Mehrere Male wurden sie unterbrochen. In den Pausen traf sich der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras mehrfach zu Gesprächen in kleiner Runde mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande und Tusk.

Knackpunkte der zähen Verhandlungen waren zuletzt die künftige Beteiligung des Internationalen Währungsfonds am griechischen Rettungsprogramm und die Etablierung eines Privatisierungsfonds im Umfang von voraussichtlich 50 Milliarden Euro. Ursprünglich war die Frist für ein Ende der Verhandlungen auf Sonntag um Mitternacht gesetzt worden.

Derzeit sind die EZB-Nothilfen bei 90 Milliarden Euro eingefroren. Das hatte dazu geführt, dass Griechenlands Banken ihren Kunden pro Tag nur noch 60 Euro in bar auszahlen. Die Geldhäuser in Griechenland sind seit zwei Wochen weitgehend geschlossen. Ohne Geld von der EZB können sie nicht wiedereröffnen, ohne zu kollabieren.

Mehrere Euroländer hatten gewarnt, dass Griechenland bei einem Scheitern der Verhandlungen zeitweise aus dem Euroraum ausscheiden könnte. Seit 2002 zählt das Land zur Eurozone. Aus der 1999 eingeführten Währungsunion ist noch nie ein Staat ausgeschieden. Der Großteil der Griechen möchte den Euro behalten.

Die Mehrheit der Bevölkerung hatte bei einem Referendum vor einer Woche jedoch gegen die Reformvorschläge der internationalen Kreditgeber gestimmt. Ob Tsipras die nun geschlossenen Kompromisse zu Hause durchsetzen kann, ist unklar.

13 Jul 2015

LINKS

[1] http://twitter.com/eucopresident/status/620486708233129984
[2] https://twitter.com/CharlesMichel/status/620482680023588864

TAGS

Schwerpunkt Krise in Griechenland
Euro-Krise
Euro
Griechenland
Schwerpunkt Finanzkrise
staatenlos
Schwerpunkt Angela Merkel
Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Griechenland
Eurokrise
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Griechenland
Griechenland

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Drittes Hilfspaket: Schäuble, der Eisverkäufer

Ein deutscher Flughafenbetreiber übernimmt griechische Flughäfen. Das ist nur auf den ersten Blick eine Erfolgsnachricht.

Aus „Le Monde diplomatique“: Rettung für verlorene Bürger

In New York bietet eine ID-Card Papierlosen Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und Jobs. Das könnte ein Vorbild für die Weltgemeinschaft sein.

Kommentar Kanzlerinmehrheit: Merkels Härte

Für Merkel war der Griechenland-Gipfel ein voller Erfolg. Auch im Bundestag wird es nicht genug Stimmen geben, die ihr den Sieg nehmen könnten.

Im griechischen Caféhaus: Exit aus dem Grexit

Seit Wochen verfolgen die Griechen gebannt die Verhandlungen zur Schuldenkrise. Haben sie nie Pause? Über kleine Fluchten aus dem Alltag.

Kommentar Griechenland-Gipfel: So scheitert Europa

Merkel und Schäuble haben dank einer ekligen Allianz alle deutschen Forderungen durchgesetzt. Das Ergebnis: ein Sanktions- und Zwangsregime.

Griechenland-Hashing: Ein Putsch für Arme

Ein neuer Hashtag macht im Netz Furore. Mit #ThisIsACoup droht die Wehrmacht wiederaufzuerstehen. Was für ein Blödsinn!

EU und Griechenland: Der Wolfgang-Schäuble-Plan

Nachbessern oder Teilzeit-Grexit. Was es mit den Forderungen des deutschen Finanzministers an Griechenland auf sich hat.

Verhandlungen über Athens Reformpläne: Ein „Grexit“ für die „Wahren Finnen“

Griechenland kritisiert, einige EU-Partner würden das Scheitern der Verhandlungen aktiv betreiben. Laut Medien spielt Finnland derzeit den schärfsten Hardliner.

EU-Beratungen über Griechenland: Schäuble will den „Teilzeit-Grexit“

Die Euro-Finanzminister einigen sich zunächst nicht auf einen Kurs für Griechenland. Schäuble sorgt mit dem Vorstoß für einen zeitweisen „Grexit“ für Aufsehen.

Video von Böhmermann und Heufer-Umlauf: Griechen-Bashing in Schlagzeilen

Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf zitieren Titelzeilen zu Griechenland. Und finden: Die meisten Medien benehmen sich wie Arschlöcher.